Wie böse ist Amazon?in Ihrer Kolumne im SPIEGEL-ONLINE fordern Sie "durch die Blume" geradezu zu einem Boykott des Online-Versandhändlers Amazon auf, weil dieser inzwischen schier allmächtig aus zeitgeistigen und knallhart gewinnorientierten Gründen über das Schicksal von Verlagen und Autoren entscheide und ihre Existenz bedrohe. Mit Verzögerungstricks bei der Auslieferung oder gar völliger Streichung aus dem Sortiment drangsaliere und nötige der amerikanische Konzern die Buchbranche zu Eingeständnissen, ja spiele sich bisweilen als Herr über die Meinungsfreiheit auf.
Eine Kolumne von Jan Fleischhauer
Der Buch-Versender Amazon will sich den Markt unterwerfen. Widerspenstigen Verlagen und Autoren drohen Handelsboykotte. Wie konnte es passieren, dass der Handelsriese als eine Art Greenpeace im Internet gilt?
Man hätte gewarnt sein können. Im Februar stellte der rechtskonservative Antaios-Verlag fest, dass sämtliche seiner Veröffentlichungen des vergangenen Jahres bei Amazon auf einen Schlag aus dem Sortiment gefallen waren. Es gab keine Benachrichtigung und keine Begründung, Amazon hatte den Vertrieb einfach eingestellt.
Auf Nachfrage des Verlegers teilte eine Mitarbeiterin vom "Amazon-Verkäuferservice" in Luxemburg mit, dass das Unternehmen keine Auskunft "zu den Gründen noch zu gesetzlichen Regelungen und Anforderungen" geben könnte. Der Verlag könne sich aber gern an die Rechtsabteilung wenden. Auch Nachfragen von "FAZ" und "Süddeutsche" ergaben nichts. Das nennt man Marktmacht: Jemanden dazu verurteilen, dass er künftig vom Handel ausgeschlossen ist, ohne dass der Betroffene je erfährt, gegen welches Gesetz er verstoßen hat.
Naturgemäß nahmen von dem Fall nur wenige Leute Notiz. Wer einen rechten Knochen wie den ehemaligen Ernst-Jünger-Sekretär Armin Mohler verlegt, kann nicht viel Sympathie erwarten. Jetzt zeigt sich, dass Amazon nicht nur mit einem Winzling wie Antaios nach Gutdünken verfährt. Amazon will das Buchgeschäft neu ordnen, nach seinen Regeln. Bücher von Verlagen, die nicht bereit sind, die Bedingungen zu akzeptieren, die Amazon diktiert, sind "vorübergehend nicht lieferbar", auch wenn die Lager überquellen. Neuerscheinungen lassen sich plötzlich nicht mehr vorbestellen. Oder wenn sie sich bestellen lassen, kommen die Bücher erst nach Tagen oder Wochen beim Kunden an.
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Ihr eingangs erwähnter Fall des rechtskonservativen Antaios-Verlags, dessen Veröffentlichungen im vergangenen Jahr komplett aus dem Amazon-Angebot genommen wurden, taugt allerdings für Ihre These nur bedingt. Der neueste Antaios-Roman "Hirnhunde" von Raoul Thalheim ist zum Beispiel gegenwärtig ganz normal bei Amazon bestellbar, wie Sie sie es selbst überprüfen können. Aber was diese Sache betrifft, blicke ich ehrlich gesagt selbst nicht so ganz durch und möchte Ihnen auch nicht widersprechen.
Stattdessen will ich Ihnen von einem anderen Fall im Zusammenhang mit den Geschäftspraktiken von Amazon erzählen, und zwar von meinem eigenen, und Ihnen damit zu bedenken geben, daß solch ein gieriger Megakonzern, ob man es glaubt oder nicht, auch ein Kämpfer für die Freiheit des gedruckten Wortes zu sein vermag. Als im Februar dieses Jahres mein Buch DEUTSCHLAND VON SINNEN [DvS] in den Startlöchern steckte, wußten ich und der Verlag, daß wir es mit solch einem extrem politisch unkorrekten Text gegen die Meinungselite in den Medien und im öffentlichen Diskurs schwer haben würden. Wir waren der Überzeugung, alle würden das Buch ignorieren, ja, verschweigen, damit dessen Botschaft nicht zu den Leuten durchdringt. Und die ersten Vorzeichen bestätigten auch unsere Befürchtungen.
Die Mails an die "Qualitätsmedien" mit dem Angebot, sie mit einem Rezensionsexemplar beglücken zu dürfen, blieben durchweg unbeantwortet. Noch schlimmer verhielt es sich mit dem Buchhandel, der, wenn es um Amazon und andere Veränderungen im Buchmarkt (e-book) geht, sich stets als armes Opfer kapitalistischer Ränke geriert, doch personell und ideologisch seit eh und je im Fahrwasser des links grün versifften Feuilletons zu schwimmen pflegt. Es wäre ein Euphemismus [Beschönigung], wenn ich sagte, daß die Bestellungen überschaubar gewesen waren. Fast nichts wurde gelistet. Die überwiegende Mehrheit der Buchhändler weigerten sich sogar ganz offen DvS zu listen.
Dann kam Amazon, der Buch- und Buchmenschen fressende Kapitalistenkonzern ins Spiel! Davor aber eine kleine Erklärung. Außer Eingeweihten weiß niemand en détail, wie der Algorithmus, der den für jeden Kunden einsehbaren Bestellstatus der jeweiligen Ware im Amazon-Fenster, hier das Buch, berechnet, wirklich funktioniert. Fest steht jedoch, daß frühere Erfolge des Autors bzw. dessen Verkäuflichkeit in der Amazon-Historie in die Berechnung mit hineinfließen.
Als Ende Februar mein Buch bei Amazon endlich vorab zu bestellen war, geschah deshalb innerhalb eines Tages etwas Sensationelles. Unter anderem beeinflußt von meinen früheren (Amazon-)Erfolgen kletterte das Buch binnen Stunden vom Zehntausenderbereich-Rang zum Tausenderbereich nach oben, im Laufe des Tages schließlich in die Top 100, bis es um Mitternacht Platz 4 erreichte. Jetzt war es im alternativen Bestseller-Himmel.
Was jedoch keineswegs zur Folge hatte, daß der Buchhandel und die ihm hörigen anderen Online-Versender wie buch.de oder thalia.de aufhorchten oder gar ihren nicht offiziell erklärten Boykott gegen DEUTSCHLAND VON SINNEN aufgaben. Sie waren fest entschlossen, eher auf das Geld zu verzichten, als einen "Sarrazin II" in ihren geheiligten Hallen zu dulden. Vermutlich ahnten sie bereits telepathisch, welcher Inhalt sich in diesem Buch verbarg. Dafür konnte die Journaille wegen des sich anbahnenden Erfolges nicht an sich halten, und ich bekam bereits erste Interviewanfragen.
Als das Buch einen Monat später erschien, schoß es innerhalb weniger Tage auf Platz 1 der Amazon-Bestsellerliste und blieb dort fast vier Wochen lang. Schließlich siegte irgendwann auch in der "alten" Buchwelt die Vernunft für Wirtschaftlichkeit über die Ideologie, und zaghaft zogen Bestellungen von dort nach. Allerdings in einer schizophrenen Art und Weise. Nicht wenige Buchhändler bestellten zwar das Buch, versteckten es jedoch in den unattraktivsten Ecken des Ladens, ja, einige rieten den Kunden vom Kauf sogar ab. Das ist bis heute so.
Hier geht es aber um Amazon und wie dessen Geschäftsgebaren die Spielregeln im Buchhandel und in Folge die Freiheit des gedruckten Wortes verändert. Lieber Herr Fleischhauer, können Sie sich in etwa vorstellen, wie viele Mails und Aufrufe die Amazon-Geschäftsleitung in dieser heißen Phase mit der Aufforderung bekommen hat, das böse Pirinçci-Buch aus dem Verkehr zu ziehen?
Und glauben Sie nicht auch, daß schon die dritte denunziatorische Mail eine vergleichbare deutsche Firma hätte in die Knie gehen lassen? Amazon wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt wankelmütig, vertrieb DvS unbeirrt weiter und zwang so indirekt die gesamte Buchbranche dazu, dem Leser eine Wahlfreiheit in Meinungsdingen zu ermöglichen. Das ist auch Amazon, und deswegen bin ich dieser Firma zu tiefstem Dank verpflichtet!
Was mein persönliches Verhältnis zu Amazon anbelangt, so schätze ich den Laden keineswegs deshalb, weil "man seine Päckchen im Recycling-Design verschickt", wie Sie schreiben. Nein, Amazon ist einfach geil! Die Handhabung der Seite, die Auswahl der Waren, deren kinderleichte Rückverschickung, falls mal was nicht stimmt, die Rezensionen selbst zu einem 1,5-€-Löffel, die Schnelligkeit der Auslieferung, einfach alles.
Daß dies nicht aus reiner Barmherzigkeit für den Kunden geschieht, versteht sich bei einem rein wirtschaftlich orientierten Unternehmen von selbst. Doch das ist nun mal der Kapitalismus, lieber Herr Fleischhauer, nämlich so wie die Evolution. Die wollte ursprünglich die kalte Reproduktion von Genen. Herausgekommen, sozusagen als "Kollateralschaden", sind dabei wunderschöne Frauen, die in dieser warmen Jahreszeit vor unseren Augen flanieren und uns Männer entzücken. Auch nicht schlecht, oder?
Quelle: Lieber Jan Fleischhauer
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