Monika Maron und Necla Kelek über Freiheit: ob in Ägypten, der Türkei oder Deutschland
Von Andrea Seibel
Seit Jahren sind sie befreundet und veranstalten einen geistreichen, mittlerweile in Berlin gerühmten politischen Salon: die Schriftstellerin Monika Maron und die Autorin Necla Kelek. Ihr Befremden über vieles, was in Deutschland geschieht, rührt von ihrer beider Herkunft: der ostdeutschen und der türkischen. Wo immer man sich mit beiden trifft, es wird viel diskutiert, aber auch viel gelacht, und geraucht. Auch dies eine Freiheit, auf der Monika Maron besteht.
Die Welt:
Viele, mit denen man spricht, empfinden die Veränderungen in unserem Land frappierend: die Attraktivität Berlins, die Stabilität der Wirtschaft, das Gefühl, ja, wir sind eine Einwanderungsgesellschaft geworden. Integration ist, aller Kritik an Missständen zum Trotz, in unserem Land besser gelungen als in Frankreich oder Großbritannien. Wie sehen Sie das? Vergesst Sarrazin und Buschkowsky?
Monika Maron:
Offenbar habe ich andere, weniger optimistische Gesprächspartner. Mir kommt es vor, als führen wir in einem zwar ziemlich komfortablen Zug, wüssten aber nichts Genaues über den Zustand der Gleise, nicht einmal, ob sie nicht irgendwo auf halber Strecke im Schotter enden. Aus einem geheimnisvollen Grund scheint es aber verboten zu sein, den Zug anzuhalten, um die Lage zu überprüfen. Wir wissen nicht, wohin die unendliche Euro-Rettung uns führt; wir sehen zu, wie nationale demokratische Institutionen Macht und Bedeutung verlieren, ohne dass sie schon eine europäische Entsprechung hätten; ich weiß nicht, wer die chaotische Energiepolitik durchschaut, ich jedenfalls nicht.
Und die Probleme mit der Integration sind offenbar über Nacht verschwunden, wenn man der Berichterstattung trauen würde. Sarrazin wurde so oft zum Rassisten ernannt, bis die Behauptung als akzeptierte Wahrheit galt. Und Buschkowsky hat man seinen Buchtitel als Bumerang an den Kopf geworfen: Neukölln sei eben nicht überall. Die deutsche Öffentlichkeit krankt an Sprech- und Denkverboten. Wer an der Klimapolitik zweifelt, wird schnell zum Klimaleugner.
Wer diese Euro-Rettung und Europapolitik nicht will, gilt als europafeindlich oder nationalistisch, auf jeden Fall als populistisch. Wer den Islam in seiner derzeitigen Verfassung für nicht kompatibel mit einer offenen, demokratischen Gesellschaft hält, wird als islamophob oder sogar fremdenfeindlich diffamiert. Wir leben in einer freien Gesellschaft mit verfassungsrechtlich geschützter Meinungsfreiheit, und ich verstehe nicht, wie ein solches Meinungsdiktat, das ja durch die Bevölkerungsmehrheit nicht gedeckt ist, überhaupt zustande kommen kann.
Necla Kelek:
Monika, das ist nicht neu. Robert Musil [österreichischer Schriftsteller, Philosoph und Theaterkritiker] hat diese Gleichzeitigkeit als "Parallelaktion" im "Mann ohne Eigenschaften" bereits für das Jahr 1913 resümiert. Vieles, vor allem sich Widersprechendes, geschieht gleichzeitig. So auch heute. Einerseits ist die Geschichte der Zuwanderung eine deutsche Erfolgsgeschichte. [?] Über 16 Millionen Bürger nichtdeutscher Herkunft leben in diesem Land. 80 Prozent von diesen Einwanderern haben keine Probleme, können hier eine Zukunft aufbauen und dabei ihre Identität wahren und haben das Land bereichert und weitergebracht. [1]
Diese Gruppe ist fast ausschließlich im Umfeld der in konservativen Islamverbänden organisierten Scharia-Muslime zu finden. Wir reden bei diesen sich selbst ausgrenzenden Migranten über eine Gruppe von weniger als 1,5 Millionen Bürgern [2]. Gleichzeitig sind dies, zusammen mit den Lobby-Organisationen der türkischen Gemeinde, diejenigen Vertreter, die sich am lautesten als benachteiligt zu Wort melden und selbst den Eindruck erwecken, sie seien arm dran. Allen voran die türkische Lobby. Sie redet nicht von "Integration" oder Multikultur, sondern von "Partizipation", von Teilhabe. Es geht darum, unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit die eigenen Lebensvorstellungen als Gruppe durchzusetzen oder ihre nationale Identität zu pflegen und eine Parallelwelt zu legitimieren.
Was aber bedeutet, dass man um des lieben Friedens willen auch anti-emanzipatorische [frauenfeindliche] und von archaischen Vorstellungen, Traditionen und Kulturen geprägte Gruppen als gleichwertig zu akzeptieren hat. Diese Diversität [Forderungen, Sonderwünsche] wird aber ausschließlich von den konservativen Muslimen und ihren Freunden, aber weder von den Polen, den Vietnamesen oder Spaniern verlangt. Man könnte einmal fragen, warum.
Welt:
Und dann blicken wir auf die Salafistengefahr, die radikalisierten Islamisten, die nach Syrien oder Afghanistan fahren und dort kämpfen: Wir denken an die Berliner Rede Obamas, der sagte, dass geheimdienstliche Überprüfung von Daten auch in Deutschland Attentate verhindert hätte, wir denken an die Sauerlandbomber und die jüngsten Durchsuchungen bei Islamisten, die mit Spielflugzeugen [Modellflugzeugen] Anschläge planten, wir sehen den NSU-Prozess mit seinen schrecklichen Verbrechen an einer Reihe von Migranten und fragen uns: Wie bringen wir das zusammen?
Kelek:
Die Salafisten sind die militante Speerspitze des fundamentalistisch-politischen Islam, der ins Mittelalter zurückstrebt. Sie bedrohen unsere Sicherheit im Inneren und wie aktuell auch den Politologen Abdel Hamed Samad in Ägypten mit dem Tod. Der nun abgesetzte Muslimbruder Mursi wollte einen Sprecher von salafistischen Terroristen zum Gouverneur in Luxor machen, und in Tunesien wollen die gleichen Leute das Recht der Frauen auf Scheidung abschaffen.
Wir müssen begreifen, dass von diesen Gruppen ein Krieg gegen den Westen geführt wird. Ein Krieg gegen unsere Werte und unseren Frieden. Diese militanten Islamisten und Dschadisten haben, wie Abdel Hamed Samad sagt, keine andere Ideologie als die Faschisten und Rechtsterroristen. Auffällig ist, dass die konservativen Islamverbände, die gegen den Rechtsradikalismus aufstehen, nichts tun, um in den eigenen Reihen eine offensive Auseinandersetzung mit den Islamfaschisten zu führen. Das ist die pure Heuchelei. Der Grund ist nicht nur ideologischer, sondern auch ganz profan finanzieller Natur. Einige Islamverbände und Moscheebauten erhalten wie die Salafisten ihre Mittel aus den gleichen Quellen. Und die sprudeln in Katar und Saudi-Arabien.
Maron:
Es widerstrebt mir, die Bezeichnung NSU zu benutzen. Drei schreckliche junge Menschen sind jahrelang, getrieben von einem wahnhaften Ausländerhass, mordend durch das Land gezogen. Sie selbst haben sich den bombastischen Namen Nationalsozialistischer Untergrund gegeben, der klingt und klingen sollte, als handele es sich dabei um eine große nationale Bewegung, die es aber nicht war, auch wenn ein Kreis mehr oder weniger aktiver Unterstützer sie umgab. Als die Umstände dieser Taten, vor allem auch das Versagen der Behörden bei ihrer Aufklärung, bekannt wurden, hielt das ganze Land fassungslos und beschämt den Atem an. [3]
Wolfgang Schäuble sagte als Innenminister schon 2007, "der Islam ist Teil Deutschlands", und niemand regte sich auf. Wieso dann der Furor rund um Wulff 2010 mit seinem Satz: "Der Islam gehört zu Deutschland"?
Maron:
Wie immer Schäuble seine Aussage gemeint hat, aber die Formulierung "der Islam ist Teil Deutschlands" besagt nicht mehr, als dass der Islam nun in Deutschland eingezogen ist, ob es uns gefällt oder nicht. Der Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" enthält ein Bekenntnis und damit eine Provokation für alle, die im Islam eine unaufgeklärte Religion mit weltlichem und politischem Anspruch erkennen.
Kelek:
Die Muslime gehören ja auch zu Deutschland. Der Islam kann wie zum Beispiel der Buddhismus und das Christentum in Deutschland gelebt werden. Die Toleranz hört aber auf, wo mit dem Recht auf Religionsfreiheit versucht wird, die Dominanz der Religion über die Verfassung zu erlangen. Herr Schäuble hat dies meiner Meinung nach damals auf den anstehenden Diskurs der Islamkonferenz um religiöse Freiheiten bezogen. Wulff hat mit seiner Formulierung hingegen den Eindruck erweckt, diese Auseinandersetzung sei nun beendet. Und das ist sie nun wirklich nicht.
Welt:
Wie empfinden Sie heute Ihre Position? Ihre Mahnungen und anhaltende Kritik an der Unfreiheitlichkeit und Vormoderne radikalreligiösen muslimischen Denkens wird gerne als Islamophobie denunziert. Fühlen Sie sich in Ihrer Position isolierter?
Kelek:
Ganz im Gegenteil! Seitdem ich 2005 mein Buch "Die fremde Braut" [gebraucht 0,06 Euro] veröffentlicht habe, haben einige meiner Analysen und Vorschläge eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst und sind direkt oder indirekt in Gesetzesvorhaben, wie im Gesetz gegen Zwangsheirat oder die Einführung einer Altersgrenze bei der Familienzusammenführung, eingegangen. Ich habe erreicht, dass über die Rolle und Funktion des politischen Islam in Deutschland und seiner Verbände kritisch nachgedacht wird. "Islamophobie" ist wie viele ähnliche Begriffe eine Kampfvokabel, mit der Religionskritik als krankhaft und bösartig charakterisiert werden soll.
Dieser Begriff stammt aus Riad [Saudi-Arabien]. Er ist von der islamischen Weltliga und zeigt die große Schwäche der islamischen Theologie. Da man sich inhaltlich nicht auseinandersetzen will, werden kritische Stimmen persönlich diffamiert und ausgegrenzt. Und wenn das nicht klappt, gibt es eine Fatwa [islamisches Rechtsgutachten]. Sieht man allerdings in die Geschichte, so wird man feststellen, dass Zweifel und Kritik vor allem an Religion die Menschheit weitergebracht hat. Das begann in der Antike vor Sokrates, und ohne die Fundamentalkritik Luthers an der katholischen Kirche, ohne Kant und Lessing, ohne Bertrand Russell, um nur einige zu nennen, wäre unsere Welt eine andere, sicher keine bessere.
Der Islam hat das noch vor sich. Ich bilde mir meine Meinung eben nicht nur theoretisch, sondern aus Anschauung vor Ort, Gesprächen mit den Menschen. Vor einigen Monaten galten meine Beschreibungen der Verhältnisse in der Türkei und der Politik Erdogans noch als überzogen und randständig. Heute teilen von Markus Söder bis Cem Özdemir alle meine Einschätzung. Und Claudia Roth, die noch vor Monaten Erdogan am liebsten um den Hals gefallen wäre, musste jetzt bittere Tränen weinen. Gegen Tränengas half die ideologische Brille dann doch nicht.
Welt:
Schauen wir nach Ägypten, Syrien und die Türkei: Die Sprache der Herrschenden ist eine autokratische, die Menschen verachtende, von Verschwörungstheorien durchtränkte. Welchem Land geben Sie die meisten Chancen für eine Weiterentwicklung?
Kelek:
Erdogan wie Mursi sind demokratisch an die Macht gekommen, haben aber ein Problem mit der Bildung eines Rechtsstaates. Und ihr Demokratieverständnis beruht nicht auf Bürgerbeteiligung. Das würde nämlich bedeuten, dass sie akzeptieren, dass der Staat den Einzelnen und den Minderheiten die gleichen Rechte gewährt wie ihren eigenen Wählern. Mursi wurde nun vom Militär entmachtet, aber was kommt? [5] Ägyptens Ausgangslage ist äußerst schlecht. Die Muslimbrüder wurden groß, weil sie mit dem Geld aus Saudi-Arabien Krankenstationen und Armenspeisungen anbieten konnten und die Menschen der Meinung waren, diese Almosen kämen von Allah.
Die Entwicklung in der Türkei ist erfreulich und bedrohlich zugleich. Erdogan hat der anatolischen Bevölkerungsmehrheit eine Stimme, eine Identität gegeben, die ihnen von den Kemalisten verweigert wurde. Er hat den Armen Straßen, Wasser und Strom gebracht, das Gesundheitswesen reformiert, die Slums beseitigt. Dafür hat er Rückhalt im größten Teil der 76 Millionen Menschen. Auch bei uns lobt man ihn zu recht für seine wirtschaftlichen Erfolge. Viele übersehen aber, dass dieser Aufschwung nicht aus gestiegener Produktivität, also aus eigener Kraft, sondern über den Konsum und Kredite erkauft wurde.
Noch nie waren der türkische Staat wie die Privathaushalte so hoch verschuldet wie heute. Die AKP [Partei Erdogans] hat die unter den Militärs erstarrte Wirtschaft dereguliert, große Teile der Ressourcen des Landes verkauft und finanziert damit große Infrastrukturmaßnahmen. Erst wurden überall Moscheen gebaut, jetzt Einkaufszentren. Shoppen und Beten scheint das Geschäftsmodell zu sein. Eine innovative Industrie fehlt aber nach wie vor. Auch wenn türkische Politiker anderes behaupten, ohne Europa hat die Türkei keine Perspektive. Die EU sollte deshalb selbstbewusst auf ihren Kriterien bestehen.
Die zivile Opposition in der Türkei muss sich unter diesen schwierigen Bedingungen neu erfinden, wenn der Widerstand von Dauer sein soll. Der stumme Mann vom Taksim-Platz ist ein treffendes Bild vom noch hilflosen Protest dieser anderen Türkei.
Welt:
Der proeuropäische Protest in Istanbul hat die Türkei den Deutschen wieder nähergebracht. Das ist doch gut, oder?
Maron:
Ich hoffe, dass der Konflikt, der zwischen säkularen und konservativ-religiösen Kräften gerade in der Türkei ausgetragen wird, endlich auch die türkische Community in Deutschland ermutigt, ihre unterschiedlichen Positionen offen zu diskutieren. Viele säkulare Türken, Perser und Kurden sehen die Probleme sehr ähnlich wie Necla und ich. Die Annahme, es handele sich hier um Probleme zwischen Muslimen und Deutschen, ist falsch. In der Türkei rebellieren Hunderttausende gegen Erdogans islamisch geprägte Politik, die er über seine Institutionen auch in Deutschland verbreiten lässt. Ich hoffe, dass wir gerade unter den Türken oder türkischen Deutschen in Zukunft viele Gleichgesinnte finden werden.
Welt:
Der Streit dauert ewig: Ist die Türkei Teil Europas oder nicht? Ist eine Aufnahme in die EU reformfördernd oder grundsätzlich falsch?
Maron:
Zwischen 1975 und 2011 hat sich die Bevölkerung der Türkei fast verdoppelt auf knapp 75 Millionen. Die Prognose für 2050 rechnet mit 95 Millionen Menschen. Damit wäre die Türkei das bevölkerungsreichste Land der EU. Im vergangenen Jahr waren Necla und ich in Batman, einer kleinen Stadt in Südostanatolien, wo wir eine Gruppe großartiger Frauen unterstützen. Wer auch nur einen kleinen Einblick gewonnen hat in das Leben jenseits von Istanbul, Ankara oder Izmir, dem fällt es schwer, sich die Türkei als Mitglied der Europäischen Union vorzustellen.
Die Frage ist doch nicht, ob eine Mitgliedschaft die Reformen in der Türkei befördern würde, sondern ob die Mitgliedschaft der Türkei für die EU überhaupt nur zu verkraften wäre. Für eine Mitgliedschaft sprechen offenbar vor allem geostrategische Interessen. Aber schon jetzt, unter den Belastungen der Krise, erweist es sich als Fehler, dass die EU die kulturellen Unterschiede ihrer Mitglieder bisher zugunsten ökonomischer und strategischer Interessen vernachlässigt oder sogar ignoriert hat.
Kelek:
Ich persönlich hoffe, dass die Europäer jetzt endlich aufwachen und erkennen, dass Modernisierung nicht identisch ist mit Demokratisierung. Wir müssen sehen, dass die Türkei in zwei Lager gespalten ist, wie auch die drei Millionen Türkischstämmigen in Deutschland zwei Lager bilden. Die anatolisch [kurdisch] und religiös Geprägten wollen die Islamisierung mithilfe der AKP auch in Europa. Die anderen wollen Europa so, wie es ist. Die Debatte über den politischen Islam muss konsequent weitergeführt werden, weil sie den Kern unserer Freiheit betrifft.
Die Anmerkungen in eckigen Klammern sind vom Admin.
Quelle: Der politische Islam bleibt eine Gefahr für uns alle
Noch ein klein wenig OT:
Feindbild Islam - Alles nur Vorurteile?
Am 4. Juli wurde im österreichischen Privatkanal Servus TVdie Polit-Sendung “Talk im Hangar-7″ zum Thema “Feindbild Islam – Alles nur Vorurteile?”ausgestrahlt. Zu Gast war unter anderem Thilo Sarrazin, der in der Sendung als Islamkritiker vorgestellt wurde. Außerdem diskutierten: Herbert Lackner (Chefredakteur „Profil”), Farid Hafez (Politologe), Wolfgang Würz (Ex-BKA-Terror-Experte) und die Islamkonvertitin Carla Amina Baghajati.
Video: Feindbild Islam - Alles nur Vorurteile (Thilo Sarrazin) (62:03)
Siehe auch:
Akif Pirincci: Muslime & Zigeuner jetzt im Rundfunkrat
Hamed Abdel-Samad: „Es gibt keinen Gott außer Mickymaus!“
Michael Mannheimer: Peillon (Sozialist): „Katholizismus ausschalten“
Ägypten: Historische Niederlage für den radikalen Islam
Bremen: Das fand die Polizei in der Drogen-Zentrale der Mongols
Necla Kelek: Sozialdemokratischer Kniefall
Linksextremisten: Gewaltbereite Bürgerkinder
Von Andrea Seibel
Seit Jahren sind sie befreundet und veranstalten einen geistreichen, mittlerweile in Berlin gerühmten politischen Salon: die Schriftstellerin Monika Maron und die Autorin Necla Kelek. Ihr Befremden über vieles, was in Deutschland geschieht, rührt von ihrer beider Herkunft: der ostdeutschen und der türkischen. Wo immer man sich mit beiden trifft, es wird viel diskutiert, aber auch viel gelacht, und geraucht. Auch dies eine Freiheit, auf der Monika Maron besteht.
Die Welt:
Viele, mit denen man spricht, empfinden die Veränderungen in unserem Land frappierend: die Attraktivität Berlins, die Stabilität der Wirtschaft, das Gefühl, ja, wir sind eine Einwanderungsgesellschaft geworden. Integration ist, aller Kritik an Missständen zum Trotz, in unserem Land besser gelungen als in Frankreich oder Großbritannien. Wie sehen Sie das? Vergesst Sarrazin und Buschkowsky?
Monika Maron:
Offenbar habe ich andere, weniger optimistische Gesprächspartner. Mir kommt es vor, als führen wir in einem zwar ziemlich komfortablen Zug, wüssten aber nichts Genaues über den Zustand der Gleise, nicht einmal, ob sie nicht irgendwo auf halber Strecke im Schotter enden. Aus einem geheimnisvollen Grund scheint es aber verboten zu sein, den Zug anzuhalten, um die Lage zu überprüfen. Wir wissen nicht, wohin die unendliche Euro-Rettung uns führt; wir sehen zu, wie nationale demokratische Institutionen Macht und Bedeutung verlieren, ohne dass sie schon eine europäische Entsprechung hätten; ich weiß nicht, wer die chaotische Energiepolitik durchschaut, ich jedenfalls nicht.
Und die Probleme mit der Integration sind offenbar über Nacht verschwunden, wenn man der Berichterstattung trauen würde. Sarrazin wurde so oft zum Rassisten ernannt, bis die Behauptung als akzeptierte Wahrheit galt. Und Buschkowsky hat man seinen Buchtitel als Bumerang an den Kopf geworfen: Neukölln sei eben nicht überall. Die deutsche Öffentlichkeit krankt an Sprech- und Denkverboten. Wer an der Klimapolitik zweifelt, wird schnell zum Klimaleugner.
Wer diese Euro-Rettung und Europapolitik nicht will, gilt als europafeindlich oder nationalistisch, auf jeden Fall als populistisch. Wer den Islam in seiner derzeitigen Verfassung für nicht kompatibel mit einer offenen, demokratischen Gesellschaft hält, wird als islamophob oder sogar fremdenfeindlich diffamiert. Wir leben in einer freien Gesellschaft mit verfassungsrechtlich geschützter Meinungsfreiheit, und ich verstehe nicht, wie ein solches Meinungsdiktat, das ja durch die Bevölkerungsmehrheit nicht gedeckt ist, überhaupt zustande kommen kann.
Necla Kelek:
Monika, das ist nicht neu. Robert Musil [österreichischer Schriftsteller, Philosoph und Theaterkritiker] hat diese Gleichzeitigkeit als "Parallelaktion" im "Mann ohne Eigenschaften" bereits für das Jahr 1913 resümiert. Vieles, vor allem sich Widersprechendes, geschieht gleichzeitig. So auch heute. Einerseits ist die Geschichte der Zuwanderung eine deutsche Erfolgsgeschichte. [?] Über 16 Millionen Bürger nichtdeutscher Herkunft leben in diesem Land. 80 Prozent von diesen Einwanderern haben keine Probleme, können hier eine Zukunft aufbauen und dabei ihre Identität wahren und haben das Land bereichert und weitergebracht. [1]
[1] Wenn ich bedenke, wieviel von diesen Menschen von der Sozialhilfe leben, wie viele von ihnen kriminell sind und wie sie Deutschland langfristig verändern [islamisieren], dann sehe ich das keineswegs als Erfolgsgeschichte, sondern als eine unerwünschte Einwanderung bzw. Besetzung, die von den Linken gewollt wird, um die christliche Kultur und die westliche Zivilisation zu zerstören. Diese unerwünschte Einwanderung wird nicht nur die Sozialsysteme zerstören, sondern sie führt zu einer Zunahme von Gewalt, Kriminalität, zur Verwahrlosung unserer Städte und endet mit großer Wahrscheinlich in einem Bürgerkrieg. [siehe auch: Michael Mannheimer: „Katholizismus ausschalten“].Niemand verlangt von einem Einwanderer, dass er seine Tradition verleugnet oder aufgeben muss. Diese Traditionen sind aber meist mit den Werten unserer Gesellschaft kompatibel [?], und die meisten haben keine Probleme, einen Platz, eine Nische für sich und ihre Gruppe zu finden.Andererseits ist die Integration gescheitert. Probleme haben diejenigen, die Kultur nicht als Konsens, sondern als Differenz leben wollen. Bestimmte Ethnien, Gruppen und ihre Verbände verfolgen eine andere Agenda, eine Politik des sich Ausgrenzens. Sie haben ein abweichendes Menschen- und Weltbild, haben andere Wertvorstellungen und ein anderes Rechtsverständnis.
Diese Gruppe ist fast ausschließlich im Umfeld der in konservativen Islamverbänden organisierten Scharia-Muslime zu finden. Wir reden bei diesen sich selbst ausgrenzenden Migranten über eine Gruppe von weniger als 1,5 Millionen Bürgern [2]. Gleichzeitig sind dies, zusammen mit den Lobby-Organisationen der türkischen Gemeinde, diejenigen Vertreter, die sich am lautesten als benachteiligt zu Wort melden und selbst den Eindruck erwecken, sie seien arm dran. Allen voran die türkische Lobby. Sie redet nicht von "Integration" oder Multikultur, sondern von "Partizipation", von Teilhabe. Es geht darum, unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit die eigenen Lebensvorstellungen als Gruppe durchzusetzen oder ihre nationale Identität zu pflegen und eine Parallelwelt zu legitimieren.
[2] Gehen wir einmal davon aus, diese Gruppe der Muslime, die sich nicht integrieren möchte, besteht aus 1,5 Millionen Menschen (etwa 2 % der deutschen Bevölkerung). Dann sollten wir nicht vergessen, daß diese Gruppe in Zukunft durch die Geburtenrate immer größer wird. Sind es heute 2 %, so sind es in 20 Jahren vielleicht bereits 20 %. Und wir sollten nicht vergessen, daß sich beim Islam stets die radikale Minderheit durchgesetzt hat. Was das bedeutet, kann sich jeder ausmalen.Das Konzept der Emanzipation, das im Kern besagt, dass man freie und gleiche Bürger für die Zivilgesellschaft braucht, hat die Politik aufgegeben, auch die Sozialdemokraten. Leute wie Heinz Buschkowsky werden ja, wenn sie Probleme benennen, gemobbt. Und wer Thilo Sarrazin zugehört hat, kommt auf die Isolierstation. Für viele Migrationsforscher, Integrationsbeauftragte und die von ihnen beratenen Politiker ist die Gesellschaft divers, vielfältig, indifferent.
Was aber bedeutet, dass man um des lieben Friedens willen auch anti-emanzipatorische [frauenfeindliche] und von archaischen Vorstellungen, Traditionen und Kulturen geprägte Gruppen als gleichwertig zu akzeptieren hat. Diese Diversität [Forderungen, Sonderwünsche] wird aber ausschließlich von den konservativen Muslimen und ihren Freunden, aber weder von den Polen, den Vietnamesen oder Spaniern verlangt. Man könnte einmal fragen, warum.
Welt:
Und dann blicken wir auf die Salafistengefahr, die radikalisierten Islamisten, die nach Syrien oder Afghanistan fahren und dort kämpfen: Wir denken an die Berliner Rede Obamas, der sagte, dass geheimdienstliche Überprüfung von Daten auch in Deutschland Attentate verhindert hätte, wir denken an die Sauerlandbomber und die jüngsten Durchsuchungen bei Islamisten, die mit Spielflugzeugen [Modellflugzeugen] Anschläge planten, wir sehen den NSU-Prozess mit seinen schrecklichen Verbrechen an einer Reihe von Migranten und fragen uns: Wie bringen wir das zusammen?
Kelek:
Die Salafisten sind die militante Speerspitze des fundamentalistisch-politischen Islam, der ins Mittelalter zurückstrebt. Sie bedrohen unsere Sicherheit im Inneren und wie aktuell auch den Politologen Abdel Hamed Samad in Ägypten mit dem Tod. Der nun abgesetzte Muslimbruder Mursi wollte einen Sprecher von salafistischen Terroristen zum Gouverneur in Luxor machen, und in Tunesien wollen die gleichen Leute das Recht der Frauen auf Scheidung abschaffen.
Wir müssen begreifen, dass von diesen Gruppen ein Krieg gegen den Westen geführt wird. Ein Krieg gegen unsere Werte und unseren Frieden. Diese militanten Islamisten und Dschadisten haben, wie Abdel Hamed Samad sagt, keine andere Ideologie als die Faschisten und Rechtsterroristen. Auffällig ist, dass die konservativen Islamverbände, die gegen den Rechtsradikalismus aufstehen, nichts tun, um in den eigenen Reihen eine offensive Auseinandersetzung mit den Islamfaschisten zu führen. Das ist die pure Heuchelei. Der Grund ist nicht nur ideologischer, sondern auch ganz profan finanzieller Natur. Einige Islamverbände und Moscheebauten erhalten wie die Salafisten ihre Mittel aus den gleichen Quellen. Und die sprudeln in Katar und Saudi-Arabien.
Maron:
Es widerstrebt mir, die Bezeichnung NSU zu benutzen. Drei schreckliche junge Menschen sind jahrelang, getrieben von einem wahnhaften Ausländerhass, mordend durch das Land gezogen. Sie selbst haben sich den bombastischen Namen Nationalsozialistischer Untergrund gegeben, der klingt und klingen sollte, als handele es sich dabei um eine große nationale Bewegung, die es aber nicht war, auch wenn ein Kreis mehr oder weniger aktiver Unterstützer sie umgab. Als die Umstände dieser Taten, vor allem auch das Versagen der Behörden bei ihrer Aufklärung, bekannt wurden, hielt das ganze Land fassungslos und beschämt den Atem an. [3]
[3] Ich bin mir keineswegs sicher, ob die NSU nicht im Auftrag des Verfassungschutzes gemordet hat.Der Präsident des Verfassungsschutzes trat zurück, Untersuchungsausschüsse wurden einberufen, die Kanzlerin und der Bundespräsident entschuldigten sich öffentlich bei den Familien der Opfer, eine Reform der Ermittlungsbehörden wurde beschlossen. Der Schock sitzt uns bis heute in den Gliedern. Ich halte diese Reaktionen alle für angemessen. Ich hielte es aber auch für angemessen, dass die türkischen Verbände und ihre Repräsentanten unser Entsetzen und unser Mitgefühl zur Kenntnis nähmen, statt uns allen permanente Fremdenfeindlichkeit zu unterstellen und das erschütterte Vertrauen in den deutschen Staat zu beschwören. [4] Wenn es gilt, dass trotz mordbereiter Salafisten und Islamisten die Mehrheit aller Muslime in Deutschland friedlich ist, dann gilt das ebenso für die Deutschen, trotz Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe.
[4] Die Türken hätten genug zu tun, wenn sie sich um die Probleme in der Türkei kümmern würden. Sie haben wirklich keinen Grund, mit dem Finger auf die Deutschen zu zeigen. Wenn es ihnen in Deutschland nicht gefällt, dann sollen sie doch in ihre geliebte Türkei gehen. Ich wäre froh, sie endlich los zu werden.Welt:
Und mir sind die Deutschen viel zu friedlich. Sie haben offenbar noch gar nicht begriffen, wie ihre Zukunft an den Islam verkauft wird. Hätten sie es begriffen, dann würden sie keine der etablierten Parteien mehr wählen und sie hätten schon längst zum Generalstreik aufgerufen. Aber sie scheinen wohl erst zu begreifen, wenn die Muslime ihre Forderungen mit Gewalt durchsetzen und dem braven deutschen Michel die Kehle durchschneiden, sagt unser Hausmeister.
Wolfgang Schäuble sagte als Innenminister schon 2007, "der Islam ist Teil Deutschlands", und niemand regte sich auf. Wieso dann der Furor rund um Wulff 2010 mit seinem Satz: "Der Islam gehört zu Deutschland"?
Maron:
Wie immer Schäuble seine Aussage gemeint hat, aber die Formulierung "der Islam ist Teil Deutschlands" besagt nicht mehr, als dass der Islam nun in Deutschland eingezogen ist, ob es uns gefällt oder nicht. Der Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" enthält ein Bekenntnis und damit eine Provokation für alle, die im Islam eine unaufgeklärte Religion mit weltlichem und politischem Anspruch erkennen.
Kelek:
Die Muslime gehören ja auch zu Deutschland. Der Islam kann wie zum Beispiel der Buddhismus und das Christentum in Deutschland gelebt werden. Die Toleranz hört aber auf, wo mit dem Recht auf Religionsfreiheit versucht wird, die Dominanz der Religion über die Verfassung zu erlangen. Herr Schäuble hat dies meiner Meinung nach damals auf den anstehenden Diskurs der Islamkonferenz um religiöse Freiheiten bezogen. Wulff hat mit seiner Formulierung hingegen den Eindruck erweckt, diese Auseinandersetzung sei nun beendet. Und das ist sie nun wirklich nicht.
Welt:
Wie empfinden Sie heute Ihre Position? Ihre Mahnungen und anhaltende Kritik an der Unfreiheitlichkeit und Vormoderne radikalreligiösen muslimischen Denkens wird gerne als Islamophobie denunziert. Fühlen Sie sich in Ihrer Position isolierter?
Kelek:
Ganz im Gegenteil! Seitdem ich 2005 mein Buch "Die fremde Braut" [gebraucht 0,06 Euro] veröffentlicht habe, haben einige meiner Analysen und Vorschläge eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst und sind direkt oder indirekt in Gesetzesvorhaben, wie im Gesetz gegen Zwangsheirat oder die Einführung einer Altersgrenze bei der Familienzusammenführung, eingegangen. Ich habe erreicht, dass über die Rolle und Funktion des politischen Islam in Deutschland und seiner Verbände kritisch nachgedacht wird. "Islamophobie" ist wie viele ähnliche Begriffe eine Kampfvokabel, mit der Religionskritik als krankhaft und bösartig charakterisiert werden soll.
Dieser Begriff stammt aus Riad [Saudi-Arabien]. Er ist von der islamischen Weltliga und zeigt die große Schwäche der islamischen Theologie. Da man sich inhaltlich nicht auseinandersetzen will, werden kritische Stimmen persönlich diffamiert und ausgegrenzt. Und wenn das nicht klappt, gibt es eine Fatwa [islamisches Rechtsgutachten]. Sieht man allerdings in die Geschichte, so wird man feststellen, dass Zweifel und Kritik vor allem an Religion die Menschheit weitergebracht hat. Das begann in der Antike vor Sokrates, und ohne die Fundamentalkritik Luthers an der katholischen Kirche, ohne Kant und Lessing, ohne Bertrand Russell, um nur einige zu nennen, wäre unsere Welt eine andere, sicher keine bessere.
Der Islam hat das noch vor sich. Ich bilde mir meine Meinung eben nicht nur theoretisch, sondern aus Anschauung vor Ort, Gesprächen mit den Menschen. Vor einigen Monaten galten meine Beschreibungen der Verhältnisse in der Türkei und der Politik Erdogans noch als überzogen und randständig. Heute teilen von Markus Söder bis Cem Özdemir alle meine Einschätzung. Und Claudia Roth, die noch vor Monaten Erdogan am liebsten um den Hals gefallen wäre, musste jetzt bittere Tränen weinen. Gegen Tränengas half die ideologische Brille dann doch nicht.
Welt:
Schauen wir nach Ägypten, Syrien und die Türkei: Die Sprache der Herrschenden ist eine autokratische, die Menschen verachtende, von Verschwörungstheorien durchtränkte. Welchem Land geben Sie die meisten Chancen für eine Weiterentwicklung?
Kelek:
Erdogan wie Mursi sind demokratisch an die Macht gekommen, haben aber ein Problem mit der Bildung eines Rechtsstaates. Und ihr Demokratieverständnis beruht nicht auf Bürgerbeteiligung. Das würde nämlich bedeuten, dass sie akzeptieren, dass der Staat den Einzelnen und den Minderheiten die gleichen Rechte gewährt wie ihren eigenen Wählern. Mursi wurde nun vom Militär entmachtet, aber was kommt? [5] Ägyptens Ausgangslage ist äußerst schlecht. Die Muslimbrüder wurden groß, weil sie mit dem Geld aus Saudi-Arabien Krankenstationen und Armenspeisungen anbieten konnten und die Menschen der Meinung waren, diese Almosen kämen von Allah.
[5] Mein Gefühl ist, daß es auf absehbare Zeit in Ägypten keinen Frieden geben wird. Eines der Hauptprobleme in Ägypten ist die enorme Geburtenrate. Dies führt dazu, daß es viele junge Leute gibt, denen man eine Ausbildung und eine Arbeit geben müsste. So viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze kann man aber gar nicht erschaffen, denn dafür ist weder das Geld noch der Bedarf vorhanden. Die Jugend Ägyptens wird also weiterhin in Armut leben und dagegen rebellieren.Nun steht Ägypten vor einer bankrotten Wirtschaft, die Muslimbrüder hatten keinen Plan B. Die Kornkammer Afrikas muss Weizen einführen, den sie nicht bezahlen kann. Im Ölland Ägypten gibt es kein Benzin. Die Kulturschätze wagt sich kein Tourist anzuschauen, weil Salafisten in Oberägypten regieren. Die Jugend hat keine Perspektive, stattdessen versucht man, die Reste der westlichen Kultur wie das Ballett und die Oper abzuwürgen. Die Lage Ägyptens ist desolat. Es ist ein "failed state". Wieder einmal wird der Westen finanziell helfen müssen. [Warum eigentlich? Damit sie uns weiter terrorisieren können?]
Schon Samuel Huntington hatte in seinem Werk „Kampf der Kulturen“ auf dieses Phänomen hingewiesen: „Junge Menschen sind die Protagonisten von Protest, Instabilität, Reform und Revolution.“ Dabei sah auch Huntington den Nährboden für die gewaltbereiten islamischen Fundamentalisten nicht in der Religion selbst: „Ich glaube nicht, dass der Islam per se gewalttätiger ist als irgendeine andere Religion. Entscheidend ist der demografische Faktor. Im Allgemeinen sind die Leute, die andere töten, Männer im Alter zwischen 16 und 30.“ [Quelle] [6]
[6] Ich stimme nicht darin überein, daß der Islam nicht gewalttätiger ist als andere Religionen, daß zeigen allein die über 21.000 Terrorattentate seit dem 11.09.2001. Was aber auch zu bedenken ist, sind die Verwandtenheiraten. In Ägypten heiraten etwa 50 % aller Ägypter innerhalb der eigenen Verwandtschaft. Etwa jeder zweite Ägypter, Iraker, Libyer, Jordanier, Omani, Saudi, Emirati oder Palästinenser entstammt aus einer „Verwandtenehe“. Das Risiko, einen niedrigeren IQ als 70 zu haben, steigt bei solchen Beziehungen um etwa 400 Prozent. Solche Menschen neigen eher dazu ihre Unzufriedenheit mit Gewalt auszutragen.
Die Entwicklung in der Türkei ist erfreulich und bedrohlich zugleich. Erdogan hat der anatolischen Bevölkerungsmehrheit eine Stimme, eine Identität gegeben, die ihnen von den Kemalisten verweigert wurde. Er hat den Armen Straßen, Wasser und Strom gebracht, das Gesundheitswesen reformiert, die Slums beseitigt. Dafür hat er Rückhalt im größten Teil der 76 Millionen Menschen. Auch bei uns lobt man ihn zu recht für seine wirtschaftlichen Erfolge. Viele übersehen aber, dass dieser Aufschwung nicht aus gestiegener Produktivität, also aus eigener Kraft, sondern über den Konsum und Kredite erkauft wurde.
Noch nie waren der türkische Staat wie die Privathaushalte so hoch verschuldet wie heute. Die AKP [Partei Erdogans] hat die unter den Militärs erstarrte Wirtschaft dereguliert, große Teile der Ressourcen des Landes verkauft und finanziert damit große Infrastrukturmaßnahmen. Erst wurden überall Moscheen gebaut, jetzt Einkaufszentren. Shoppen und Beten scheint das Geschäftsmodell zu sein. Eine innovative Industrie fehlt aber nach wie vor. Auch wenn türkische Politiker anderes behaupten, ohne Europa hat die Türkei keine Perspektive. Die EU sollte deshalb selbstbewusst auf ihren Kriterien bestehen.
Die zivile Opposition in der Türkei muss sich unter diesen schwierigen Bedingungen neu erfinden, wenn der Widerstand von Dauer sein soll. Der stumme Mann vom Taksim-Platz ist ein treffendes Bild vom noch hilflosen Protest dieser anderen Türkei.
Welt:
Der proeuropäische Protest in Istanbul hat die Türkei den Deutschen wieder nähergebracht. Das ist doch gut, oder?
Maron:
Ich hoffe, dass der Konflikt, der zwischen säkularen und konservativ-religiösen Kräften gerade in der Türkei ausgetragen wird, endlich auch die türkische Community in Deutschland ermutigt, ihre unterschiedlichen Positionen offen zu diskutieren. Viele säkulare Türken, Perser und Kurden sehen die Probleme sehr ähnlich wie Necla und ich. Die Annahme, es handele sich hier um Probleme zwischen Muslimen und Deutschen, ist falsch. In der Türkei rebellieren Hunderttausende gegen Erdogans islamisch geprägte Politik, die er über seine Institutionen auch in Deutschland verbreiten lässt. Ich hoffe, dass wir gerade unter den Türken oder türkischen Deutschen in Zukunft viele Gleichgesinnte finden werden.
Welt:
Der Streit dauert ewig: Ist die Türkei Teil Europas oder nicht? Ist eine Aufnahme in die EU reformfördernd oder grundsätzlich falsch?
Maron:
Zwischen 1975 und 2011 hat sich die Bevölkerung der Türkei fast verdoppelt auf knapp 75 Millionen. Die Prognose für 2050 rechnet mit 95 Millionen Menschen. Damit wäre die Türkei das bevölkerungsreichste Land der EU. Im vergangenen Jahr waren Necla und ich in Batman, einer kleinen Stadt in Südostanatolien, wo wir eine Gruppe großartiger Frauen unterstützen. Wer auch nur einen kleinen Einblick gewonnen hat in das Leben jenseits von Istanbul, Ankara oder Izmir, dem fällt es schwer, sich die Türkei als Mitglied der Europäischen Union vorzustellen.
Die Frage ist doch nicht, ob eine Mitgliedschaft die Reformen in der Türkei befördern würde, sondern ob die Mitgliedschaft der Türkei für die EU überhaupt nur zu verkraften wäre. Für eine Mitgliedschaft sprechen offenbar vor allem geostrategische Interessen. Aber schon jetzt, unter den Belastungen der Krise, erweist es sich als Fehler, dass die EU die kulturellen Unterschiede ihrer Mitglieder bisher zugunsten ökonomischer und strategischer Interessen vernachlässigt oder sogar ignoriert hat.
Kelek:
Ich persönlich hoffe, dass die Europäer jetzt endlich aufwachen und erkennen, dass Modernisierung nicht identisch ist mit Demokratisierung. Wir müssen sehen, dass die Türkei in zwei Lager gespalten ist, wie auch die drei Millionen Türkischstämmigen in Deutschland zwei Lager bilden. Die anatolisch [kurdisch] und religiös Geprägten wollen die Islamisierung mithilfe der AKP auch in Europa. Die anderen wollen Europa so, wie es ist. Die Debatte über den politischen Islam muss konsequent weitergeführt werden, weil sie den Kern unserer Freiheit betrifft.
Die Anmerkungen in eckigen Klammern sind vom Admin.
Quelle: Der politische Islam bleibt eine Gefahr für uns alle
Noch ein klein wenig OT:
Feindbild Islam - Alles nur Vorurteile?
Am 4. Juli wurde im österreichischen Privatkanal Servus TVdie Polit-Sendung “Talk im Hangar-7″ zum Thema “Feindbild Islam – Alles nur Vorurteile?”ausgestrahlt. Zu Gast war unter anderem Thilo Sarrazin, der in der Sendung als Islamkritiker vorgestellt wurde. Außerdem diskutierten: Herbert Lackner (Chefredakteur „Profil”), Farid Hafez (Politologe), Wolfgang Würz (Ex-BKA-Terror-Experte) und die Islamkonvertitin Carla Amina Baghajati.
Video: Feindbild Islam - Alles nur Vorurteile (Thilo Sarrazin) (62:03)
Siehe auch:
Akif Pirincci: Muslime & Zigeuner jetzt im Rundfunkrat
Hamed Abdel-Samad: „Es gibt keinen Gott außer Mickymaus!“
Michael Mannheimer: Peillon (Sozialist): „Katholizismus ausschalten“
Ägypten: Historische Niederlage für den radikalen Islam
Bremen: Das fand die Polizei in der Drogen-Zentrale der Mongols
Necla Kelek: Sozialdemokratischer Kniefall
Linksextremisten: Gewaltbereite Bürgerkinder