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Ägypten: Historische Niederlage für den radikalen Islam

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Eine Demokratie nach den Idealen des Westens wird Ägypten auch nach der Vertreibung Mursis von der Macht nicht so schnell werden. Doch bei aller Skepsis sollten wir uns mit dem Volk freuen.

Von Richard Herzinger

Zweimal hat die ägyptische Bevölkerung innerhalb kurzer Zeit gezeigt, welche Kraft in ihr steckt. Die Entmachtung von Präsident Mursi wurde jubelnd gefeiert.

Der Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi sei „ein schwerer Rückschlag für die Demokratie“, ließ Außenminister Guido Westerwelle vergangene Woche verlauten. Es sei „dringlich, dass Ägypten schnellstmöglich zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehrt“. Dieses eigenartige Verständnis von Demokratie verkehrt jedoch die wirklichen Verhältnisse.

Zwar trifft es zu, dass die Entmachtung Musis und der ihn tragenden Muslimbrüder durch das Militär einen demokratisch gewählten Präsidenten traf. Doch jene „verfassungsmäßige Ordnung“, die sich Westerwelle zurückwünscht, war ja gerade der Anlass für einen der mächtigsten Volksaufstände der Weltgeschichte, der bis zu 17 Millionen Ägypter auf die Straße trieb.

Die von Mursi bei einer Wahlbeteiligung von gerade einmal 31 Prozent per Referendum im Handstreich durchgepeitschte, islamistisch imprägnierte Verfassung hatte nämlich die Grundlage für die Abschaffung der Demokratie gelegt. Durch diese Verfassung waren religiöse Minderheiten und Frauen zu Bürgern zweiter Klasse erklärt worden. Mursi zerstörte durch seine Dekrete auch faktisch die Gewaltenteilung, indem er sich selbst ermächtigte, jedes Gerichtsurteil per Veto blockieren zu dürfen, und zugleich den Gerichten verbot, von ihm erlassene Anweisungen anzufechten.

Die Leistung der Ägypter ist enorm

Auch wenn die Entmachtung des Präsidenten letztlich durch den Eingriff des Militärs erfolgte, war der Aufstand der Ägypter gegen das Regiment der Muslimbrüder doch keineswegs gegen die Demokratie gerichtet, sondern stellte ganz im Gegenteil eine fast beispiellose Erhebung zu ihrer Verteidigung dar.

Um diese Leistung der Ägypter würdigen zu können, muss man sich vorstellen, die russische Bevölkerung hätte sich 1918 gegen die Auflösung der Konstituierenden Versammlung durch die Bolschewiki erhoben und Lenin und seine Genossen von der Macht verjagt [Russische Revolution]. Gerade noch rechtzeitig die Herausbildung einer totalitären Herrschaft verhindert und gezeigt zu haben, wie das geht, ist das bleibende welthistorische Verdienst der unzähligen mutigen Frauen und Männer, die Mursis Absetzung erzwungen haben

Doch die deutsche Bundesregierung – und mit ihr andere westliche Regierungen, hatte sich der Fiktion hingegeben, Ägyptens Islamisten hätten ihren Frieden mit den demokratischen Spielregeln gemacht. So hatte sich die deutsche Diplomatie bereits darauf eingestellt, mit Mursi in ähnlicher Weise zu kooperieren wie zuvor mit Mubarak – und zugunsten des guten Verhältnisses zu dem vermeintlichen Stabilitätsgaranten über dessen autokratisches Gebaren hinwegzusehen. Zum zweiten Mal innerhalb von gut zwei Jahren haben die Ägypter nun einen Strich durch diese „realpolitische“ Rechnung gemacht.

Der Nimbus der Muslimbrüder ist zerstört

Nicht nur für die Muslimbruderschaft, sondern für die gesamte Bewegung des radikalen politischen Islam in der Region stellt dies eine Niederlage von historischer Dimension dar. Denn dass sich die Mehrheit der ägyptischen Gesellschaft explizit gegen die religiöse Gleichschaltung des öffentlichen Lebens und die Umwandlung ihres Landes in einen „Gottesstaat“ erhoben hat, zerstört den Nimbus, dem Sturz der alten arabischen Despotien müsse mit gleichsam elementarer Zwangsläufigkeit die Islamisierung ganzer Gesellschaften folgen.

Namentlich den säkularen Kräften in Tunesien, Syrien und Libyen könnte das ägyptische Beispiel enormen Auftrieb geben. Die Misswirtschaft der Muslimbrüder beweist, dass eine Ideologie, nach der man sich nur strengen religiösen Regeln unterwerfen müsse, dann würde Gott selbst schon für Wohlstand sorgen, für die Zukunftsfähigkeit der arabischen Welt Gift ist.

Dass die Muslimbruderschaft ihre Regierungsunfähigkeit bereits praktisch unter Beweis gestellt hat, ist einer der großen Unterschiede zu der Situation in Algerien vor 20 Jahren [Algerischer Bürgerkrieg], wo die alte diktatorische Macht kurzerhand die Wahlen annullierte, weil die Islamisten gesiegt hatten. Diese brachen daraufhin einen zehnjährigen grauenvollen Bürgerkrieg vom Zaun. Viele Beobachter befürchten jetzt eine ähnliche Entwicklung in Ägypten...

Eine Demokratie nach den Idealen des Westens wird Ägypten auch nach der Vertreibung Mursis von der Macht wohl auf längere Sicht nicht werden. Doch bei aller Skepsis täten wir gut daran, uns ein wenig mit den Ägyptern zu freuen, dass sie immerhin neue Hoffnung schöpfen können.

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Siktir schreibt:

Herr Herzinger, wann schreiben Sie auch mal einen Artikel über die "Demokratien" Saudi Arabien, Katar und Bahrain?

Semon schreibt:

Ich würde mich gerne für das ägyptische Volk freuen. Doch auch schon der damals von Politikern und Journalisten herbeigeredete arabische "Frühling" wurde, wie von vielen ungehörten Nahostexperten vorhergesagt, zu einem Debakel für die Aufgeschlossenen. Auch jetzt wird schon wieder der hohe Anteil der extrem Gläubigen unterschätzt, der an der Wahlurne wieder vor allem islamisch und nicht demokratisch denken wird.

Oli Garch schreibt:

In einer aufgeklärten und via sozialen Netzwerken informierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts haben fundamentale religöse Fanatiker einfach keinen Platz - ganz gleich zu welcher Konfession sie sich zugehörig fühlen. Und das ist gut so.

Siehe auch:
Bremen: Das fand die Polizei in der Drogen-Zentrale der Mongols
Necla Kelek: Sozialdemokratischer Kniefall
Linksextremisten: Gewaltbereite Bürgerkinder
NRW: Zahl der Verbrechen steigt, aber 2000 Beamte weniger
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