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Martin Lichtmesz: Akif Pirinçci vs. Ijoma Mangold

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Kaum hat die Rezensionsschlacht um Akif Pirinçcis “Deutschland von Sinnen”begonnen, hat schon der erste Kombattant die Nerven verloren: der Goldene Godwin[für den ersten Hitlervergleich] der Woche geht an den „Zeit-“Redakteur [Literatur-Chef] Ijoma Alexander Mangold [Vater aus Nigeria], der uns die Wartezeit auf den obligaten Hitler-Springteufel gnädig verkürzt hat. [Alexander Mangold vergleicht Pirinçci-Buch mit “Mein Kampf”]

Gut, daß wir diese Prozedur gleich zu Beginn hinter uns gebracht hätten. Hier ist das rhetorische Glanzstück:
Im Bramarbasieren über alles und jedes, in der scheinbar widerstandslosen Herstellung von Evidenz und Zusammenhang, in der triumphalistischen Geste der Entlarvung von medialen Lügengespinsten, in seiner Mischung aus Brutalität und Heulerei erinnert das Buch – ich schwöre, ich habe noch nie einen Hitler-Vergleich gezogen in meinem Berufsleben – an Adolf Hitlers Mein Kampf.
Isch schwör, Alda, beim Grab meiner Mutter und beim Barte des Propheten und bei den Knochen des Hl. Böll, das ist kein schnöde dahergesagter Witz, das ist keine Inflationshitlerei, das ist die Kanone der „ultima ratio“, das ist nun wirklich der totale und radikale Ernstfall und Ausnahmezustand, diesmal ist ER wirklich wieder da, und er ist perfider getarnt als je zuvor, er guckt aus der Wäsche wie ein versoffener und verhurter Türke… ey, da lach ich doch!

Auf die alleinige Schlagkraft seiner Wunderwaffe hat Mangold dann aber doch nicht vertraut, und gleich ein ganzes Arsenal an Invektiven [Beleidigungen] hochgehen lassen. André Lichtschlag hat eine amüsante Liste der abgefeuerten Kracher zusammengestellt. Man kann Meister Mangold jedenfalls nicht vorwerfen, daß ihm zu Pirinçci „nichts einfiele“ wie weiland Karl Kraus zu Hitler. Da muß die Adjektivpresse ja richtig heiß gelaufen sein:
Pirinçcis Buch sei also „zynisch“, „überspannt“, „roh“, „brutal“, „enthemmt“, „rauhbeinig“, „pamphletisch“, „rauschhaft“, „rausgekotzt“, „vulgär“, „verletzend“, „beleidigend“, „volksverhetzend“, „symptomatisch“, „beispiellos“, „obszön“, „verhasst“, „schlagend“, „verschärft“, „bizarr“, „grölend“ „menschenverachtend“, „brutalorechts“, „rechts“, „xenophob“, „wildgeworden“, „triumphalistisch“, „brutal“, „heulend“, „adolfhitleristisch“, „bärendienlich“, „gefährlich“, „rechtsrandig“, „wüst“ und „komisch“. Ja, komisch.
Da legst di nieder, wie man in Wien sagt. Da bist schmähstad [sprachlos]. Da sagst nix mehr. Da schaust deppat…  „Spießig“ und „mitschunkelnd“ hat Lichtschlag noch vergessen, Sie verstehen schon, wie in Stammtisch und Lederhosennazis und Bierseligkeit, unhip und „dumpf“ und zurückgeblieben und so. Die Pro-Pirinçci-Fraktion (etwa Axel Krauss hier oder Bettina Röhl hier)  schießt bereits aus allen Rohren zurück, sich redlich Mühe gebend, die Mangold’schen Wortkaskaden noch zu übertreffen.

Seine Rezension liest sich jedenfalls wie eine fast schon komische Anthologie aus bewährten Bausteinen. Da will also einer zynisch Kohle machen und an niedere Instinkte appellieren, da will einer bloß seinen Rausch auskotzen, da ist einer im Gegensatz zum studierten Rezensenten ein total ungebildeter Primitivling und ein „autodidaktischer“ Dilettant, da ist einer irrsinnig gefährlich und volksverhetzend, reaktionäre Massen in Bierzelten bedienend, zeitsymptomatisch und neohitleristisch, dabei aber gleichzeitig vollkommen lächerlich, irrelevant, ephemer [Eintagsfliege], wirkungslos und allenfalls für ein paar Minderheitenspießer attraktiv. Weit und breit nichts als niedere Beweggründe. Die Frage, was das alles mit einer wahrgenommenen Wirklichkeit zu tun hat, oder ob der Autor vielleicht in dem einen oder anderen Punkt „recht haben“ könnte, braucht man da gar nicht erst aufzuwerfen.
Kein zynischer Spindoktor[negative Bezeichnung für Öffentlichkeitsarbeit]  und Marketingstratege, der einmal so richtig Auflage machen und den Stammtisch bedienen will, hätte sich dieses Buch am grünen Tisch ausdenken können. Er wäre immer aus Angst, den Bogen zu überspannen, zurückgezuckt vor der letzten Konsequenz an Rohheit und Brutalität. Er hätte Momente der Relativierung und der Selbstironie eingebaut und darauf geachtet, nicht Mitte und Maß ganz aus den Augen zu verlieren….

Das Buch ist vulgär, verletzend, beleidigend an der Grenze zur Volksverhetzung, aber es ist auch ein Symptom, sonst hätte es keinen so reißenden Absatz gefunden. Es muss eine Menge Leute geben, die ihre eigenen Normalitätsvorstellungen bedroht sehen… Lauert mit Akif Pirinçci eine neue Gefahr am rechten Rand? Das alles ist so wüst vorgetragen, dass es schon wieder komisch ist. Mit dieser Attitüde lässt sich kein Staat machen, nicht einmal eine Splitterpartei für Überzeugungsspießer.
So sieht der totale Krieg gegen den volksverderbenden „Schmutz und Schund“ (A. Hitler) von heute aus! Dabei ist es durchaus nicht so, daß man als Literatur-Redakteur der „Zeit“ nun jeden Fäkalsprachen-Exzeß mit spitzen Fingern anfassen müßte. Charlotte Roche's „Schoßgebete“ [zweiter Roman nach „Feuchtgebiete“] etwa waren für Mangold
…ein furios übersteuerter Hilfeschrei nach Verwurzelung, Geborgenheit, Verlässlichkeit und Treue…. eine fast schon pathetische [übertriebene] Suchbewegung nach Verbindlichkeit ohne Spießigkeit…. Roches Stil ist extrem nah an der Mündlichkeit – allerdings nicht irgendeiner Mündlichkeit, sondern ihrer sehr eigenen, nicht mehr und nicht weniger als entwaffnenden Mündlichkeit.
Ist das nicht rührend? Warum soll das, was für die schmuddelige Charlotte gilt, nicht ebenso für den garstigen Akif gelten? Hat der denn keine Sehnsucht nach Verbindlichkeit und Verwurzelung, etwa in einem Deutschland, das kein sich selbst aufätzendes Irrenhaus ist? Kann seine Gewalt nicht auch ein (nicht so) stummer Schrei nach Liebe sein? Und kann es denn vielleicht gar sein, daß er einen verdammt guten Grund für seinen „Haß“ hat, der wohl vor allem „Zorn“ ist?

Aber das klänge wohl schon wieder zu edel und zu rechtfertigend. Dieser Ausdruck wird bekanntlich nur für Linke reserviert, wenn sie sich über irgendetwas „empören“ oder zur „Empörung“ aufrufen, alle anderen können nur „hassen“, so schrecklich hassen [Video: DÖF: Codo - Ich düse, düse im Sauseschritt], und sind darum so häßlich, so schrecklich häßlich, viel zu häßlich jedenfalls für den durchschnittlichen Zeit-Leser, der keinen größeren Horror kennt, als die Gosse des „Stammtischs“… „Haß“ ist überhaupt nur bei Rechten möglich, Linke können das gar nicht, weil sie so aufgeklärt, gebildet und tolerant sind und lauter schwule Freunde haben. Oder? [1]
[1] Ja, stimmt, die Linken sind so aufgeklärt, gebildet und tolerant. Ein kritisches Wort und er läuft davon oder du hast ihn an der Kehle, sagt unser Hausmeister.
Dabei muß selbst Mangold die Herzhaftigkeit des Buches anerkennen:
Anders gesagt: Ein solches Buch kann man nur aufrichtigen Herzens schreiben. In dieser Aufrichtigkeit und Authentizität aber liegt die beispiellose Enthemmtheit dieses Buchs, das eine Raubeinigkeit an den Tag legt, die auch für das Genre des Pamphlets Neuland betritt.
Jo mei… „beispiellose Enthemmtheit“, ich hab schon schlimmeres und hemmungsloseres bei Franz Josef Wagner in der „Bild“-Zeitung gelesen oder auf den Sprechplatten des deutschen Lyrikers und Integrationspreisträgers Bushido gehört.  Und wenn sich in der sich so vulgär gebenden Charlotte Roche eine im Grunde sensible Seele verbirgt, warum dann nicht auch bei Pirinçci, der bei Live-Auftritten eher angenehm schüchtern und unmachohaft wirkt? Der einzige Grund, warum er diesen Bona-fide-Kredit [Guten-Gauben-Kredit] nicht bekommt, ist, daß es ihn an der falschen Zehe plagt, dort, wo niemand „Aua“ schreien darf und jeder artig tolerierend lächeln muß.

Meinungsmacher wie Mangold wollen verhindern, daß Menschen ernstgenommen werden und Gehör finden, die Sätze sagen wie „Ich will mein altes Deutschland zurückhaben!“, was erst recht für solche gilt, die nicht nur jammern, sondern auch noch frech hinzufügen: „Und ich werde es bekommen!“ Es handelt sich hier um eine klassische psychologische Konditionierung: denke solch unkeusche Gedanken, und sieh vor deinem geistigen Auge, wie du dich in einen dummen, häßlichen, ungeliebten Stammtisch-Adolfnazi verwandelst und in die Hölle der Uncoolness und der sozialen Isolation stürzt, verlassen von allen BoBo-Freunden [BoBo: Abkürzung für Bourgeois (Bürgertum) und Bohémien (intellektuelle und künstlerische Subkultur)]. Oder seit neuestem auch, und das ist fast schon wieder originell, statt in einen Hitler in einen „brutalo-rechten“ Krawallkanaken:
Der Meinungsvielfalt hat das Buch einen Bärendienst erwiesen. Denn wer immer sein Wort erhebt gegen die Diskursvorherrschaft von Gender-Mainstreaming, Steuerstaat, Rauchverbot, Konstruktivismus [Gender-Mainstream, Gleichheit] und Adoptionsrecht für Homosexuelle, findet sich jetzt in der Gesellschaft von Akif Pirinçci wieder. Da überlegt man sich dreimal, ob man nicht doch lieber kleinlaut ins Lager der Gleichstellungsbeauftragten überläuft.
Häuptling Mangold spricht hier mit tief gespaltener Zunge. Denn an wen soll sich dieser dräuende Appell bitteschön richten? Mir ist jedenfalls noch nicht aufgefallen, daß „ausgerechnet“ in der „Zeit“ irgendjemand daran interessiert wäre, „sein Wort zu erheben“ wider die „Diskursvorherrschaft von Gender-Mainstreaming, Steuerstaat, Rauchverbot, Konstruktivismus und Adoptionsrecht für Homosexuelle“ (ahem, und haben wir da nicht noch ein klitzekleines, nebensächliches Thema vergessen?).

Würde Pirinçci wie Sarrazin mit Fakten und wohlformulierten Thesen argumentieren, würde ihn die „Zeit“ auch nicht besser behandeln. Würde er in jugendfreien Silberzungen reden, würde man ihn auslachen. Würde er in einem geschliffenen, obszönitätenfreien Stil wie Richard Millet schreiben, würde man ihn gar nicht erst rezensieren. Und wer nur deswegen ins (von der „Zeit“ ja so überaus gnadenlos kritisierte) „Lager der Gleichstellungsbeauftragten“ übergeht, weil es ihm vor dem Türkenprolo graust, sollte ohnehin lieber den Mund halten, wenn es um „Meinungsvielfalt“ geht (eben ist mir ein Ekelschauer vor diesem Ausdruck über die Zehenspitzen gelaufen).

Ich für meinen Teil wäre jedenfalls lieber „in der Gesellschaft von Akif Pirinçci“, an dessen Verhitlerung Mangold so lachhaft gescheitert ist, als von gewissen dreisten, verlogenen Heuchlern, in ihren hübschen, weltentrückten Redaktionsbüros, die mal den ach-so-kultivierten Finger abspreizen, mal das ach-so-gebildete, ach-so „differenzierte“ Mäulchen spitzen, während sie allen Ernstes verlangen, daß man über all den absurden, zum Himmel schreienden, abartig kretinösen und niederträchtigen Dreck, der tagtäglich im Namen von Gender Mainstreaming,  Antirassismus, Feminismus und artverwandten ideologischen Untieren verbreitet wird, auch noch ernsthaft und seriös diskutiert (darüber demnächst mehr.)

In den Worten Pirinçcis im Interview mit der JF [Junge Freiheit]:
Die Ironie entsteht, weil wir diese abstruse Medienwelt haben, in der der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet ist. Schalten Sie den wieder ein, wird das Absurde deutlich. Nehmen Sie etwa das neue Werbevideo der EKD. Na, wo spielt das wohl? Auf einem öffentlichen Scheißhaus, wo auch sonst? [Video: Genderismus in der EKD - Eine Tür ist genug (03:11)] Dann kommen Schwule und Lesben aus der Kabine, wo sie sich eben befummelt haben, und eine Frau rasiert sich das Kinn. Damit wirbt man für eine Kirche. Das ist doch, als wären wir live in einer Episode von South Park. Alle finden den Christopher-Street-Day im Fernsehen natürlich gaaaanz toll. Weil die Kamera nicht runterschwenkt, wo Männer auf offener Straße die Schwänze anderer Männer lutschen, und die Kinder am Straßenrand schauen zu. Ich zeige das in meinem Buch eben mal auf: Deutschland von Sinnen.
Wem, der noch alle Tassen im Schrank hat, gehen heute angesichts des allgegenwärtigen Irrenhauses, das inzwischen jede Satire übertrifft, nicht die Worte aus? Wer verspürt nicht die Versuchung, sich einmal einem tourettesyndromartigen Anfall hinzugeben? Mangold ist offenbar auch schon längst das Vokabular ausgegangen, um mit Phänomenen, wie sie ihm nun in der Rüpelgestalt des Pirinçci entgegentreten, fertig zu werden. Die Rezension bleibt am Ende liegen wie eine leergepreßte Zitrone. Viel Lärm und Gezeter, die eine klaffende Ratlosigkeit übertönen sollen. Der Effektivität der „Hitler“-Nummer hat er jedenfalls einen „Bärendienst“ erwiesen. Noch ein paar Mal, und sie hat sich endlich totgelaufen. Das Pulver ist verschossen, der Rauch hat sich verzogen, die olle Krätze steht aber immer noch da. Was jetzt?

Ich schließe mit Michael Klonovskys aktuellem Kommentar: Wieder wird ein ganzes Milieu unruhig, weil nach Sarrazin der nächste verwerfliche Autor an die Spitze der Verkaufslisten klettert. Sollte es irgendwann zu einer Art deutscher Tea-Party-Bewegung kommen, an deren Legitimität so wenig Zweifel bestünde wie an ihrer mutmaßlichen Unappetitlichkeit und Primitivität, darf man den Menschen deswegen nicht allzu sehr grollen; man richte vielmehr seinen Blick beharrlich auf die Verantwortlichen in den Redaktionsstuben, Universitäten und Abgeordnetenbüros und erinnere sie ebenso beharrlich an ihre Urheberschaft. Es kann nicht ewig gutgehen, auf Kosten anderer seinen guten Willen zu bekunden.

Die Anmerkungen in eckigen Klammern sind vom Admin.

Quelle: Akif Pirinçci vs. Ijoma Mangold: Goldener Godwin der Woche

Noch ein klein wenig OT:


Video: Michael Krons mit Hamed Abdel-Samad (33:55)

Jaques Brel - Ne me quitte pas (04: 17)
Jaques Brel - Voir un ami Pleurer (03:48)
Jaques Brel - Jojo (03:15)

Siehe auch:
Andreas Lombard: Lieber Ijoma Alexander Mangold!
Hans Heckel: Wie Akif Pirinçci zum neuesten Hitler wurde
Flensburg: Nordafrikanische Jugendbanden terrorisieren die Stadt
Akif Pirinçcis Hass-Buch: Der Pöbler und die Neue Rechte
Akif Pirincci: Die bisher eindeutig beste Buchbesprechung
Fjordman: Mindestens 6.000 Frauen jährlich in Schweden vergewaltigt
Karlsruhe: Importierte Kriminalität durch Asylbewerber
Ex-Moslem Nassim Ben Iman über die Gefährlichkeit des Islams

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