Jetzt hatte ich mir vorgenommen, eine Typologie von Männern und Frauen zu verfassen, die sich auf Singleplattformen herumtreiben, da fiel mir siedend heiß ein, daß meine liebe Freundin Judith Petter das ja schon auf eine hervorragende Art und Weise getan hat. Sie betrieb auf diesem Felde Langzeitforschung und veröffentlichte dann ihre Ergebnisse im berühmten amerikanischen Wissenschaftsmagazin “Obscure Science”. Könnte ich diesen Raport mit meinen eigenen Worten je übertreffen? Nein, eher wohl nicht. Na dann ziehe ich mich zurück und überlasse der Dame die Arena. Leg los, Judith!
MÄNNER
Der Perversling
Notgeile Visage mit dem Hang zur eindeutig perversen Aufforderung. Erste Kontaktaufnahme: “Bumst du für Kohle?” “Willst du ficken?” “Gehst du mit mir in den Swingerclub?” Männer dieser Art haben fast nie ein Bild im Profil. Drehen gewaltig am Rad, wenn man nicht antwortet, und überhäufen Frauen mit Schimpfkanonaden, wenn man “Kein Interesse“ bekundet. Der klassische, trotzige Antwort dieser gehirnamputierten Typen ist in der Regel: “Du bist gar nicht so toll”. Den notgeilen Surfer gibt es in allen Altersklassen. Von den älteren Säcken werden auch junge Mädchen angeschrieben und deren Fotos auf anzügliche Art und Weise kommentiert, natürlich versehen mit vielen albernen Smileys.
Der gelangweilte Ehemann und beziehungsmüder Langweiler
Hier handelt sich um ein reklamiertes Modell, welches von der eigenen Partnerin ins Regal zurückgestellt worden ist. Er sucht neben seiner bestehenden Partnerschaft den unverbindlichen, schnellen Kick. Zu Hause ist seit langem tote Hose in jeder Hinsicht.
Seine Kontaktaufnahme lautet häufig: “Hi, klasse Profil, was machst du gerade?” “Wie geht’s?” “Wie ist das Wetter bei dir?” Nachdem man noch höflich antwortet, betont er mehrfach, nur zum Spaß auf dieser Plattform angemeldet zu sein, um neue Leute kennenzulernen und Freunde zu finden, könnte ja sein, daß man seine Angetraute kennt. Auf die erste Bemerkung und sei es, dass man einkaufen war und gerade ein neues Kleid erstanden hat, springt er an wie eine läufige Hündin. Betont nochmals deutlich keinen Sex zu suchen, fragt im gleichen Atemzug jedoch, ob man dazu Strapse trägt und ob man sich von hinten nehmen lässt. Macht man ihm deutlich, keinen Sex zu suchen, wird er massiv ausfallend und bricht den Kontakt sofort ab.
Der ewige Single
Die erste Kontaktmail enthält einen ellenlangen, reinkopierten Text, der einer juristischen Abhandlung gleichkommt. Da er ein Schlauberger ist, kopiert er lediglich Namen der aufgerufenen Profile in die Begrüßungszeile. Er hat jede Menger Bilder, diese wurden aber länger bearbeitet als der schiefe Turm von Pisa. Schreibt man nur einen kleinen Gruß zurück, versorgt er einen mit seiner langweiligen Lebensgeschichte, die auch real schon nie jemanden interessiert hat. Alle Frauen in seinem PLZ-Bereich wurden bereits von ihm angeschrieben, egal, welches Alter oder ob sie es schon lange hinter sich haben. Unter seinen Fotos findet man Sexangebote von 2003, die er alle stehen läßt, um seinen Erfolg zu dokumentieren.
Der verzweifelte Blender
Die erste Mail ist immer ein Kompliment: „Wow, hübsch biste!” “Ich brauche die Telefonnummer deiner Eltern, möchte ihnen danken, so eine tolle Frau fabriziert zu haben!” Macht gewaltig einen auf Latin Lover, garniert mit einem Haufen Klasse!-Wahnsinn!-Echt geil!-Kommentaren nach jeder Antwort. Hat in jedem Fall ein Bild im Profil, welches er von Bodyvoten geklaut hat, damit überhaupt jemand antwortet. In Wirklichkeit hat er nur noch Sex mit seiner Tastatur. Kommt sogar zum Date, obwohl sein Profil ein einziger Fake ist, da kennt er nichts, und fragt allen Ernstes, ob man ihn denn nicht doch wolle, so schlimm sei das doch alles gar nicht, man könne doch befreundet sein.
Der Schleimer
Rutscht in der ersten Mail bereits auf seiner eigenen Schleimspur aus. Hat mehrere Bilder im Profil, von sich, vom Haus, von der Gartenlaube, vom Kamin und auch mit seiner aktuellen Partnerin. Jetzt erklärt sich einem schnell, warum er auf einer Singleplattform angemeldet ist. Grüßt immer wieder lieb, gibt sich als Freund aus, mit dem man Pferde stehlen kann. In Wirklichkeit würde er auch nur für eine angedeutete Nummer seine Olle von der Gartenleiter stoßen. Man kann ihn beschimpfen, ihm kein Interesse schenken, ihn antreten und bespucken, er kommt wieder und immer wieder zurück wie das häufig genutzte australische Spielgerät.
Der Schwanzfotoversender
Erste Mail beinhaltet mehrere Fotos seines besten Stücks, welches er unter Aufwartung aller technischen Raffinessen mit dem Handy aufgenommen hat. Ganz großes Kino, in allen Varianten wird einem der kleine Freund präsentiert. Er schickt diese Bilder an ALLES was nach Frau aussieht, versehen mit coolen Texten wie: “So einen hattest du bestimmt noch nicht”, “Auf meinem können 7 Adler draufsitzen”, “Ich spritze wie die Wasserfontäne auf der Binnenalster”. Selbst an Lesben schickt er diese Bilder, da er dem Wahn verfallen ist, auch diese mit seinem Mördergemächt zu bekehren.
Der Angeber
Hat von sich selbst nur ein unscharfes Handyfoto im Profil. Als Eyecatcher kommt die unbezahlte Karre auf mehreren Fotos hochgeladen ins Profil. Schließlich gehen Frauen steil auf 3er Cabrios mit fettem Spoiler ab. Aber nicht nur das, er zeigt auch Fotos seiner Urkunden vom Staffellauf 1978, von seinem Führerschein und Motorrad und das von seiner Karre mit Anhänger und Feuerholz und natürlich das von seinem Personalausweis. Charakterliche Attribute wie Bescheidenheit sind ihm gänzlich fremd. Betont immer wieder ungefragt, was er für ein geiler Typ ist und eine Granate im Bett.
FRAUEN
Die Grundsolide
Daheim gibt es Katzen, viele Katzen. Sogar im Single-Profil werden Fotos dieser Tiere gepostet, mitsamt den lustigen Namen, für die sich kein Schwein interessiert. Sich selbst bezeichnet sie als Dosenöffner (!), was so witzig ist wie ein auf Grund gelaufener Tanker. In der Regel findet man auf ihrem Profil auch unscharfe Fotos von Helene-Fischer-Konzerten, dafür kann man sie sogar eine Stunde früher von ihrem gähnend langweiligen Verwaltungsjob wegholen. Gerne ruft sie abends oder Sonntagmorgens bei Wahrsager-TV an, um sich ihr bis dato unspektakuläres Leben zukunftsweisend aus Karten und Pendeln lesen zu lassen.
Die Verblendete
Fernab jeglicher realistischen Wahrnehmung. Für ihr angegebenes Gewicht ist sie definitiv zu klein. Dafür bietet sie einen Haufen Kinder, die aus diversen Affären stammen. Aber wehe, der Kerl besitzt auch nur ein eigenes, dann ist der Spaß vorbei. Vor allem unabhängig, attraktiv und muskulös gestählt soll er sein. Sie selbst meidet Sportstudiobesuche, da keine Zeit wegen der Kinder. Nach Möglichkeit sollte der zukünftige, am besten unternehmensberaterisch tätige, anvisierte Prinz reich sein, da keiner ihrer Ex-Männer pünktlich den Unterhaltszahlungen nachkommt. Wenn ihr denkt, das war’s schon, weit gefehlt, volle Haarpracht, Nikotin- und Alkoholabstinenz sind weitere Forderungen. Spätestens hier platzt die träumerische Seifenblase, und der Restposten sitzt weiterhin die nächsten Jahre im abgegriffenen Bademantel vor dem PC.
Die alternde Möchtegern-Diva
Ihre Konfirmation ist 40 Jahre her. Die Haare sind oft lustigerweise mit künstlerisch drapierten Strähnchen in Regenbogenfarben versehen. Wie ein trotziges, in die Jahre gekommenes Rumpelstilzchen verbreitet sie Jetzt-erst-recht!-Tiraden und gestikuliert wild mit ihren French-Manicure lackierten, überlangen Fingernägeln. Die Klamotten werden bevorzugt in Teeny-Läden geshoppt, alles so schön bunt und eng. Die dort erstandene Arschmanschette wird abends zum Date kombiniert mit weißen Lackpumps. Schaut man ihr real ins Gesicht, trifft es der Begriff chinesischer Faltenkoffer am besten. Und sie wundert sich immer noch, warum der Richtige noch nicht da war.
Die Esoterikerin
Studierte in der Regel Pädagogik oder Kunsthistorik. Auf der Visitenkarte sind ihre Doppel- und Dreifachnamen verewigt. Besucht gerne Yogakurse und beginnt den Tag mit dem Sonnengruß. Hat sich auf Singleplattformen angemeldet, da sie endlich mal wieder wilden, ausufernden Sex haben möchte. Nach diversen fehlgeschlagenen Tantra- und Orgasmusseminaren zum Ausleben der eigenen Geilheit versucht sie nun hier ihr Glück. Vorsicht Männer, die Esoterikern meidet Fleisch und Eier, dafür versorgt sie euch mit guten Ratschlägen wie man prima linksdrehenden Joghurt herstellt.
Die Karrierefrau
“Hab heute wieder mit Boston telefoniert!” Frau mit Komplexen die unter dem Zwang leidet, daß Männer sie nicht ernst nehmen könnten. Im Profil sind die Worte erfolgreich und anspruchsvoll so sicher wie das Amen in der Kirche. Bekommt Zuschriften von Männern, die selber gern hochstapeln und von ihrem Direktor-Job bei der Bank erzählen. In Wirklichkeit sitzen diese als Parkhauswächter in der Sparkassentiefgarage (Schranke noch nicht oben? Moment, ich komme!). Sie protzt gerne mit ihrer angeblich wichtigen Tätigkeit. Es fallen Sätze wie “Hab einige Leute unter mir” oder “Ich bin in der Firma unabkömmlich” (wer gießt sonst die Blumen und bläst den Chef?)
Die hirntote Schönheit mit Internet-Allüren
“Sorry, ich kann nicht jede Nachricht beantworten.” Sieht für diese Single-Seiten fast zu gut aus. Was natürlich nicht heißt, dass sie wirklich attraktiv wäre und schon mal gar nicht so, wie sie es sich einbildet. Der Tagesablauf beschränkt sich auf lebenserhaltende Maßnahmen und auf die drei großen FFFs: Ficken, Feiern, “Ferbotene Liebe” gucken. Die debile Arroganz erstickt jeden Anflug von Selbstkritik im Keim.
Die Chatterin
Hat das nicht vorhandene Privatleben ins Netz verlagert. Daheim wird sich selbst über anonyme Anrufer gefreut, online die Riesennummer mit 100 seelenverwandten, virtuellen Freunden. In der älteren Version meist lang verheiratet und hat Kinder. In der jüngeren Version unvermittelbare und oberflächliche Zicke ohne Freundeskreis. Sie besaß schon eine Flatrate, als die Pyramiden noch gebaut wurden. Betont ständig “nur schreiben” zu wollen, obwohl alle Ex und auch ONS (One-Night-Stands) aus dem Netz stammen. Die ältere Version wäre ohne Internet CB-Funker geblieben.
Die Feiertante
“Ich hab mein Schatzi schon gefunden”, “Man kann sich doch auch so unterhalten”. Gibt es in der liierten Version und solo. In der liierten Ausgabe werden bedeutungslose Männer-Komplimente gern genutzt, um das angeschlagene Selbstwertgefühl aufzupolieren. Vielleicht findet sich ja auch was Besseres? Die übertrieben häufigen Grüße an den Freund sollen diesen beschwichtigen, da sie trotz Beziehung ja immer noch online Freundschaften pflegt. Die Solo-Version ist häufig gerade vom Ex abgeschossen worden und sucht hier nicht wirklich was, außer Beifall.
Profil: Ganz sicher steht dort “KEINE ONS”. Der Hinweis auf den eventuell vorhandenen Partner kommt gar nicht oder nur dort, wo es keiner liest. Es fehlt auch nicht der Hinweis, die ganze Post “kaum beantworten zu können”. Allerdings weiß doch jeder Piephahn, daß jedes Frauenprofil mit Bild mehr Post bekommt als der Papst, selbst wenn sie die Nase hinten hat. Nachdem der Typ unehrlich abgeschleimt hat, folgt in der zehnten Mail ihr Hinweis auf die glückliche Beziehung. Die Solo-Version läßt sich die Telefonnummer geben, ruft aber nicht an. Wenn sie sich trifft, will sie gefeiert und ausgehalten werden.
Quelle: Elend online