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Klassik-Lounge (1): Das Tschaikowsky-Klavierkonzert

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Eine höchst persönliche Werkkunde von Till Schneider

Von Peter (Pjotr) Iljitch Tschaikowsky (Bild links) gibt es nur ein Klavierkonzert – basta. Und das wissen Sie auch. Opus 23, b-Moll. Nummer eins. Wenn Sie das leugnen, dann haben wir hier keine belastbare, steile Hierarchie. Der Profi, der bin ich – klar? Hobby-Musikenzyklopäden, Nebenwerke-Hervorpopler und Trivial Pursuit-süchtige Gymnasialbelehrer, die heimlich bei geschlossenen Fensterläden Rachmaninow üben und im Hochgebirgsurlaub Tschaikowskys Klavierkonzerte Nummer zwei und drei am iPod hören, werden von mir nicht bedient.

Hier, bei mir, geht es ums große Ganze. Heute also: um das Tschaikowsky-Klavierkonzert. B-Moll, wie gesagt. Opus 23. Über das wollen Sie schließlich was von mir wissen, oder? Also. Warum nicht gleich. Bei Tschaikowsky muss ich ein bisschen autoritär werden. Da gibt es nämlich so einiges an komponistenseitiger Bedeutungshuberei und an hörerseitiger Hysterie zu konterkarieren. Vor allem bei dieser Konzert-Monstrosität.

Vier Töne, ta-ta-ta-taaaaaa – so fängt das Konzert an. Unisono, fortissimo. Erinnert uns an was? Richtig: Beethoven, fünfte Sinfonie. Ta-ta-ta-taaaaaa. Plagiatverdacht? Ach was. Geschenkt. Tschaikowsky war Popkomponist. Das darf man nicht vergessen. Deshalb hält er es auch auf „taaaaaa” nicht lange aus, sondern setzt ein KRAWUMM hintendran. (Bitte akustisch vorstellen: Beethoven „Fünfte”, ta-ta-ta-taaaaaa – KRAWUMM. Haben Sie’s? Gut. Das ist der Unterschied zwischen Klassik und Pop.) Das Ganze kommt bei Tschaikowsky zweieinhalbmal, und dann zieht’s den Tondichter mit Getöse von b-Moll nach Des-Dur. So dass sich der b-Moll-Pseudotragikvorspann als – Pseudotragikvorspann erweist. Potemkinsches Dorf sozusagen (Tschaikowsky war ja Russe). In den Theaterwissenschaften auch: Kulisse. Aber sehr – effektvoll, wie gerne gesagt wird.

Und wo befinden wir uns nach dieser spektakulären Kulissenschieberei? In Desdurien. Tiefebene. Nachmittagssonne. Grandioses Panorama; Millionen desdurisch-zaristischer Soldaten ziehen nach erstrittener Weltherrschaft triumphierend durch die Optik. Weitwinkel, Cinemascope Color. Starring: Rhett Butler, Jeanne d’ Arc, James Bond, Moses, Doktor Schiwago, Tristan & Isolde, John Wayne, Anna Karenina, Jossip Wissarionowitsch Stalin, Claudia Cardinale, Christoph Schlingensief. Buch: Adolf Hitler, Sergej Eisenstein. Regie: Leni Riefenstahl. Sponsoring: Coca Cola.

Ich weiß. Sie schämen sich dafür, dass Ihnen dieses peinliche Konzert immer so ins Gedärm fährt. Was Sie ehrt – denn: de stussibus non est disputandum [über Geschmäcker kann man nicht streiten], wie der Lateiner sagt. Hilft aber auch nicht, weil: Gänsehaut hoch drei. Harndrang. Spasmen. Erektionen. Größenfantasien. Jedes Mal. Das Tschaikowsky-Konzert ... ach, so kann das hier nicht weitergehen. Ich mach’s kürzer. Mein erstes Live-Hörerlebnis mit diesem Konzert – ich war zwölf – lief wie folgt ab:

Der Solist, Alexis Weissenberg (drahtiger Bulgare, Supertechniker), stemmt den ersten Des-Dur-Akkord in die tiefe Lage des Steinway – und der Klavierhocker bricht unter ihm zusammen. Ehrlich. Ich schwöre. Das Schraubgestänge bricht, und die Sitzfläche landet, zwanzig Zentimeter tiefer, krachend auf dem Untergestell. Schock; Abbruch. Was ich damals noch nicht wusste: Dies war die ultimative Antwort auf das Tschaikowsky-Konzert. Es muss Gott persönlich gewesen sein, der zurückgeschlagen hat. Anders ist das nicht zu erklären. Und ich war live dabei! Ein Wunder!

Manchmal verstehe ich Gott nicht. Warum geht er da nicht immer dazwischen? Hat er etwa doch nicht genügend – Stolz? Anstattdessen: Millionen glatt durchlaufender Tschaikowsky-Konzerte weltweit. Triumphantös. Blasphemikal. Bigottant. Beispiel: Heute entdeckte ich, dass irgendein freundlicher Zeitgenosse endlich einmal das ganze Tschaikowsky-Klavierkonzert mit meinem erklärten Lieblingspianisten Arcadi Volodos als Solist in YouTube eingestellt hatte. Nicht nur einen Ausschnitt davon. War sogar mit den Berliner Phillies (bestes Orchester von der Welt!), in deren eigenen heiligen Hallen aufgenommen (extremst gute Akustik! Hans Scharoun!), Dirigent: der estnische Altgrantler Neeme Järvi, heute USA (humorlos, aber unaufdringlich und fähig!). Was will man mehr?

Auch das weiß ich jetzt (wieder) besser. Das Problem ist und bleibt – das Stück. Dabei hatte ich mich so gefreut. Denn Arcadi hat nicht nur die mit Abstand beste Technik und den mit Abstand besten Klaviersound der Welt (samtweich wie Katzenfell!! Vergessen Sie endlich Lang Lang, Kung Fuzius und was der fernorientalen TrefferquotenkönigInnen mehr sind!), sondern er spielt zum Beispiel das dritte Rachmaninow-Konzert – also einen wahrhaft kitschverdächtigen Schmachtfetzen – nicht nur blödsinnig virtuos und geradezu unmenschlich differenziert, sondern auch noch geschmacklich über jeden Zweifel erhaben. Hundert Prozent kitschfrei, sprich: bio. Trotzdem extrem expressiv und leidenschaftlich. Stilvollendet orgiastisch, wenn es das gäbe. Das bildete, nota bene, meinen Erwartungshorizont für sein Tschaikowsky-Konzert!

Und was macht Arcadi? Er spielt den fraglichen Fetzen, Sie lesen richtig, zum Mäusemelken kitschig. Brechreizerregend rubatoverkaspert und mit bedeutungsschwer dauermümmelnder Christus-am-Kreuz-Leidenskitschvisage.

Weshalb aber muss seine Interpretation des Tschaikowsky-Konzerts dann trotzdem als die Ideal-Interpretation schlechthin gelten? Na, kommen Sie – das ist jetzt aber einfach. Halt, weil das Stück so gottverdammt kitschig und oberaffenpeinlich ist, Mensch! Sie kennen doch diese Tonkloake! Muss man Ihnen denn alles vorbuchstabieren? Wenn Sie schon nach jeder Tschaikowskykonzertaufführung zum Hautarzt müssen, dann reißen Sie sich doch wenigstens jetzt mal zusammen! Jetzt, wo es um knochentrockene, schonungs- und emotionslose Werkanalyse geht! Arcadi Volodos also wird diesem Werk, vulgo: stinkenden Romantikresteverwertungs-Müllhaufen, deshalb so wunderbar gerecht, weil er dessen bestialischen Gestank eins zu eins in klingende Münze verwandelt. Man nennt so etwas auch unbedingte Werktreue, welche in Musikerkreisen nicht umsonst als höchste Tugend gilt.

Ein Werk – um noch ein Beispiel zu geben –, in dessen zweitem Satz, also wohlgemerkt in schwerstromantischem Lyrismuskontext, völlig aus dem Nichts heraus plötzlich ein mit Ecstasy vollgepumpter Haufen epileptischer und zugleich (!) frisch enthaupteter Hühner sinn-, zweck- und regiefrei über die Klaviertastatur krallert (Takt 59 und folgende!). Die Frage bezüglich dieser bedenklichen Stelle muss lauten: Wo kommen die ganzen Hühner auf einmal her? Wie leicht ersichtlich, ist nämlich der Kontext-Einbettungskoeffizient dieser tonsetzerischen Kaltdusche kleiner gleich Null. Und das ist definitiv zu wenig. Irgendwo muss Schluss sein – sogar für Herrn Tschaikowsky. Effekte: gerne. Immer. Aber man kann nicht einfach eine maximallyrische Szene holterdiepolter in die Notaufnahme einer Hühner-Unfallklinik verwandeln. Das geht nicht. Bei aller Liebe Gottes. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Das ist kompositorische Inkontinenz allererster Ordnung.

Ein solches Konzert wird am jüngsten Tage einem ausnehmend trüben Schicksal entgegensehen müssen. Ohne jeden Zweifel wird Gottes Rache hier ganz fürchterlich ausfallen.

Till Schneider, geboren 1960, ist Pianist und Autor. Er studierte Musik, Journalistik und Psychologie.

Quelle: Klassik-Lounge für Achse-Leser (1): Das Tschaikowsky-Klavierkonzert


Tchaikovsky's Piano Concerto No. 1 - Ivo Pogorelich - London Symphony (37:39)

Noch ein klein wenig OT:

Dortmund: Studentenwohnhäuser: Studenten raus Asylbetrüger rein

Für Dortmunds Studenten könnten harte Zeiten anbrechen: Die städtische Wohnungsgesellschaft Dogewo beabsichtigt, Studentenwohnhäuser, die erst vor rund einem Jahr mit großem Aufwand saniert wurden, von ihren jetzigen Mietern zu befreien, stattdessen sollen Asylforderer einquartiert werden. Unter der Überschrift „Studenten raus, Flüchtlinge rein“ bringt selbst der Lokalsender „Radio 91.2“ die Politik der etablierten Parteien und ihrer Zuarbeiter in der Stadtverwaltung auf den Punkt: Zuerst kommen die Fremden und wenn dann noch etwas über bleibt, das eigene Volk. Im konkreten Fall heißt dies, dass die Studenten sehen können, wo sie zukünftig eine Bleibe finden. Und das bei der Wohnungsnot in Großstädten!

Siehe auch:
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Akif Pirincci: Frau und Nachfrage: Jana - Germanistin - arbeitslos
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