Quantcast
Channel: islamnixgut2
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1651

Leon de Winter: „Es gibt mehr Kriminalität, mehr Bettler“

$
0
0
Der holländische Bestsellerautor und konservative Vordenker Leon de Winter rät der Schweiz zu einer illusionslosen Einwanderungspolitik.

Der niederländische Bestsellerautor Leon de Winter

Der 59-Jährige wuchs als Sohn orthodoxer Juden in Holland auf. Er studierte an den Filmhochschulen in München und Amsterdam, wurde aber vor allem als Romanautor bekannt. Sein jüngstes Werk „Ein gutes Herz“ erschien 2013 bei Diogenes. De Winter beteiligt sich regelmässig an politischen Debatten, insbesondere hat er sich mehrfach kritisch mit dem Islam befasst. Er lebt in der Nähe von Amsterdam.

Was bringt 2014?

In grossen Interviews beleuchtet der Tages-Anzeiger das bevorstehende Jahr. Die Gespräche gehen von einer These aus – und suchen dann nach Antworten auf die grossen Fragen der Gegenwart. Leon de Winter befragten wir Anfang Dezember im Zürcher Restaurant Helvetia zur These: 2014 ist das Jahr, das die Schweiz zu neuen Ideen in der Zuwanderungspolitik zwingt.

Frage: Herr de Winter, die Schweiz stimmt im Februar darüber ab, ob das Land die Steuerung der Einwanderung wieder in die eigene Hand nehmen und Kontingente einführen soll. Es wäre faktisch das Ende des freien Personenverkehrs mit der EU. Was halten Sie davon?

Leon de Winter: Mir hat die Idee, die Autonomie der Nationalstaaten zu beschränken, nie gefallen. Wir sind noch nicht so weit. Wir sind, nach vielen Jahrhunderten der blutigen Auseinandersetzung, immer noch daran, uns aneinander zu gewöhnen. Grenzen sind nichts Überflüssiges. Sie haben eine Funktion. Wenn man von der Schweiz nach Frankreich, von Holland nach Belgien, von Deutschland nach Polen fährt, dann merkt man sofort, dass man in eine andere Welt kommt. Die Häuser sehen anders aus. Die Leute kaufen anders ein. Sie haben ja auch eine andere Geschichte. Zu glauben, man könne über diese Unterschiede eine bürokratische Klammer spannen – das ist eine Illusion.

Frage: Vor knapp vier Jahren schrieben Sie in einem Essay: „Europa ist viel zu heterogen [verschieden, unterschiedlich] für eine Union.“ Das heisst: Europa ist auch zu heterogen für den freien Personenverkehr?

Leon de Winter: Ja. Weil es keine europäische Einheit gibt. Vielleicht sind wir unterwegs dorthin. Aber wir sind noch nicht dort. Und man kann die Einheit nicht befehlen. Europa hätte sich viel mehr Zeit nehmen sollen fürs Aneinandergewöhnen. Langsam und organisch hätte sich dann die Union entwickeln können. Aber man hat sich diese Zeit nicht genommen.

Frage: Womöglich bereits im Herbst folgt hier die nächste Abstimmung zum Thema, dann darüber, ob der freie Personenverkehr auf das neue EU-Mitglied Kroatien ausgedehnt werden soll. Ein Nein würde die EU als Provokation empfinden. Sie sind Bürger eines EU-Staats, was empfehlen Sie uns? Ist es ratsam, sich mit der EU anzulegen?

Leon de Winter: Natürlich ist es kurzfristig angenehmer, mitzumachen und nicht quer zu schlagen. Umgekehrt: Stellen Sie sich vor, die EU würde aus Rücksicht auf Kroatien die Schweiz bestrafen. Das wäre eine Dummheit. Kommt hinzu: Würden die EU-Bürokraten genau hinschauen, sähen sie die Probleme, die der freie Personenverkehr schafft. Holland gehört zu den bevorzugten Einwanderungsländern der Rumänen. Natürlich ist es nicht politisch korrekt, was ich nun sage, aber es ist die Realität: Es gibt mehr Kriminalität, mehr Bettler. An jeder Ecke in Amsterdam steht einer, der Akkordeon spielt. Er beherrscht genau eine Melodie und spielt diese den ganzen Tag. Ist das ein Fortschritt für Europa? Natürlich sollten wir die Rumänen unterstützen. Aber ich glaube nicht, dass wir sie in die westeuropäische Gesellschaft integrieren, wenn wir sie in Amsterdam Akkordeon spielen lassen.

Reden wir endlich über die wahren Risiken und Nebenwirkungen der Einwanderung

Leon de Winter ist ein erfolgreicher zeitgenössischer Autor. Und er steht rechts. Was hierzulande unmöglich scheint, schreckt in Holland niemanden mehr auf. Die Zuwanderungsdebatte wird dort seit Jahren derart intensiv geführt, dass sich die politischen Koordinaten verschoben haben: Inzwischen begegnet dort auch die Linke den Migrationsfolgen mit Skepsis.

Die Schweiz erlebt derzeit eine ähnliche Koordinatenverschiebung. Die letzten Jahre waren geprägt von einer uneingeschränkten Politik der Öffnung. Nach dem Schock des EWR-Neins[Europäischer Währungsraum] von 1992 reüssierten [erfüllte die Schweiz] sämtliche Abstimmungen zu den bilateralen Verträgen. Bundesrat und Wirtschaft versprachen jeweils Wohlstand und Prosperität[Aufschwung], und blendeten die Nebenwirkungen aus.

Tatsächlich aber ist die Sogwirkung des Schweizer Arbeitsmarkts grösser als erwartet. Es kommen weit mehr Leute, und es kommen nicht nur Fachkräfte. Sondern auch schlecht Ausgebildete, die zu Dumpinglöhnen arbeiten. Wenn Leon de Winter sagt: „Wir sind den unangenehmen Fragen zu lange aus dem Weg gegangen“, gilt das auch für die Schweiz.

In der Bevölkerung kumulieren [häufen] sich derzeit nationalistische, ökologische und gewerkschaftliche Vorbehalte gegen die Zuwanderung. Das lässt nichts Gutes erahnen für die anstehenden Urnengänge zur Zuwanderungsbeschränkung. Niemand weiss, wie Brüssel reagiert, wenn die Schweiz die bilateralen Verträge nicht mehr erfüllt. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.

Zu gewinnen sind die Abstimmungen nur, wenn der Bundesrat und die Mitte-Links-Mehrheit im Parlament die Nebenwirkungen der Zuwanderung nicht länger schönreden. Und Ideen für eine langfristige Zuwanderungspolitik entwickeln. Denn auf Dauer ist eine Nettozuwanderung von 80.000 Personen pro Jahr nichtmehrheitsfähig. 2014 wird damit zum Schicksalsjahr für die Schweiz. Entweder gelingt es, ein grundsätzlich freies Migrationsmodell mit den berechtigten Ansprüchen einer langfristigen Zuwanderungsstrategie zu vereinen. Oder es droht grösseres Ungemach. Viel Zeit bleibt nicht.

Frage: Lange war die Zuwanderungskritik das Spielfeld der politischen Rechten. Doch nun hat sich das Thema in die politische und gesellschaftliche Mitte bewegt. Was ist geschehen?

Leon de Winter: Die Wirklichkeit ist geschehen. Und das ist immer sehr problematisch für Politiker. Es gibt so etwas wie ganz gewöhnliche Fakten. Und diese bleiben den Menschen nicht verborgen. Viele Generationen haben sehr hart gearbeitet, um das Fundament unseres heutigen Sozialstaats zu bauen. Der Versorgungsstaat ist ein schönes Modell, aber er ist nicht kompatibel mit dem Modell des Einwanderungsstaats. Ein Einwanderungsstaat, der gleichzeitig Versorgungsstaat sein will, bekommt Probleme. Und diese haben wir in Westeuropa, weil wir ab den 60er-Jahren Fehler gemacht haben. Wir glaubten, wir könnten die beiden Modelle zusammenbringen. Natürlich, wir brauchten Arbeiter, Leute, die mit anpackten. Doch wir wollten nicht über die Folgen sprechen, darüber, dass diese Arbeiter dann Ansprüche an den Versorgungsstaat stellen.

Frage: Es ist doch verständlich, dass Einwanderer, die bei uns arbeiten, auch von unseren Sozialleistungen profitieren wollen.

Leon de Winter: Natürlich, und es ist auch menschlich und nachvollziehbar, dass man möglichst viel profitieren möchte, dass man mit einem Minimum an Arbeit ein Maximum an Sozialleistung zu bekommen versucht. Ebenso menschlich und nachvollziehbar ist aber, dass die Einheimischen keine Freude haben, wenn immer mehr Menschen am Tropf ihres Sozialstaats hängen, darunter auch solche, die vergleichsweise wenig zu dessen Finanzierung beitragen.

Frage: Das klingt nun so, als wären die Einwanderer von nichts anderem als von der Sehnsucht nach unserem Sozialstaat getrieben.

Leon de Winter: Das sage ich nicht. Ich sage nur, dass Einwanderungsstaat und Sozialstaat von ihrem Wesen her nicht zusammenpassen. Hinzu kommt ein Aspekt, der uns ein bisschen wegführt vom Personenverkehr in Europa: In Holland kommt ein stattlicher Teil der Einwanderer aus Marokko. Die allermeisten haben vielleicht eine kurze Ausbildung in der Landwirtschaft oder als Kleinhändler genossen, aber keine höhere Bildung. Hingegen haben sie eine starke kulturelle Prägung.

Frage: Was ist so schlimm daran?

Leon de Winter: Warum befinden sich die freiesten Gesellschaften in Nordamerika, Europa und Australien? Warum herrscht in den Ländern, aus denen die Migranten kommen, Nordafrika, Teilen der Türkei, Armut und Analphabetismus? Warum ist die ganze Ländergalerie von Ägypten bis Pakistan eine einzige Aneinanderreihung von Unfreiheit? Das sind keine Zufälle. Und darüber sollten wir reden. Mit Rasse hat das alles nichts zu tun. Jede Diskussion über Rasse ist Unsinn. Es geht um kulturelle und religiöse Aspekte. Wir hier in Europa konnten uns erst entwickeln, nachdem wir uns von der Unterdrückung durch die Kirche befreit hatten. Diese Befreiung muss auch in der islamischen Welt gelingen. Wir müssen die muslimischen Mitbürger bei uns unterstützen. Doch das können wir nur, wenn wir sehr klar und deutlich über dieses Thema reden.

Frage: Herr de Winter, sind alle Kulturen gleichwertig?

Leon de Winter: „Nein. Es gibt gute. Und weniger gute.“

Frage: Hat die Politik die Folgen der Einwanderung zu lange tabuisiert?

Leon de Winter: Wir haben die kulturelle, religiöse Dimension der Einwanderung zu lange unterschlagen und sind den unangenehmen Fragen zu lange aus dem Weg gegangen: Warum sind so viele Migrantenkinder nicht in der Lage, ihre Schule erfolgreich abzuschliessen? Warum ist der Anteil Krimineller unter Migranten grösser als unter Einheimischen?

Frage: Warum?

Leon de Winter: Wir halten es für ein Zeichen von Zivilisation, wenn man nicht über Kulturen urteilt. Wir behaupten: Alle Kulturen sind gleich. Ich flüstere Ihnen jetzt etwas zu: Das stimmt nicht. Es gibt bessere Kulturen und weniger gute. Nehmen wir Europa, unsere Kultur war nicht immer gut. Aber heute ist sie es. Nehmen wir Pakistan, Saudiarabien. Das sind kulturelle Gebiete, wo es ungleich viel schwieriger ist, als freies Individuum zu leben. Ein amerikanischer Philosoph hat gesagt: Wenn alle Kulturen gleich sind, ist Kannibalismus nur eine Frage des Geschmacks. Und das ist er nicht. Kannibalismus ist und bleibt Mord, man kann nicht sagen: Wenn Menschen einander auffressen, ist das bloss Ausdruck einer anderen Kultur.

Frage: Wie sähe eine Zuwanderungspolitik nach Ihrem Gusto aus?

Leon de Winter: Es geht darum, Ansprüche zu stellen. Wir müssen uns fragen, welche Einwanderung brauchen wir? Welche Fähigkeiten fehlen uns? Ich weiss, das sind unangenehme Fragen. Aber wir können auch nicht einfach so nach Australien auswandern. Die fragen am Zoll: Wer sind Sie? Sind Sie Arzt, Ingenieur? Wenn Sie dann sagen: Ich bin Flachmaler, dann sagen die Australier vielleicht: Wir haben genügend Flachmaler, sorry! Warum machen wir das nicht? Allerdings, ganz wichtig: Es gibt Flüchtlinge [besser: Asylanten]. Diese müssen wir aufnehmen.

Frage: Sie haben geschrieben: „Nur wenige glauben, dass die multikulturelle Gesellschaft eine Bereicherung ist.“ Sie selbst gehören offenbar nicht zu diesen wenigen.

Leon de Winter: Das Problem der Multikultur ist der Verlust, der mit ihr verbunden ist. Eine starke Kultur wie die unsrige ist etwas Wunderbares. Sie umfasst Ideen, Werte, mit denen ich mich identifizieren kann. Sie hat eine Geschichte. Und sie hat Dokumente, die sie repräsentieren, die „Declaration of Independence“ [Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten] zum Beispiel. Wenn ich in Washington im Nationalarchiv bin und dort dieses Dokument sehe, bin ich sehr gerührt. In der multikulturellen Gesellschaft ist diese gewachsene Kultur dann nur noch eine unter mehreren. Natürlich sollen wir sowohl mit den anderen europäischen Nationen wie mit den Einwanderern von ausserhalb Europas zusammenarbeiten und zusammenleben. Aber wir dürfen nicht unsere Kultur relativieren.

Einwanderungskontinent Europa

Frage: Es ist heute Mainstream, über die Multikultur zu schimpfen. Zugleich bewegen wir uns zwanglos zwischen den Kulturen, essen Kebab, trinken italienischen Kaffee und fliegen für einen Wochenendtrip nach Istanbul. Irgendetwas geht da nicht auf.

Leon de Winter: Die Vielfalt ist herrlich, es gibt marokkanische Gerichte, die ich sehr schätze. Aber der Punkt ist ein anderer: Wir müssen die Leute, die zu uns kommen, zur Integration einladen. Sie müssen ihre Kultur, soweit sie sich nicht verträgt mit der unsrigen, hinter sich lassen. Die jungen Einwanderermädchen machen vor, wie es geht. Sie haben realisiert, dass sie hier viel mehr Möglichkeiten und Chancen haben als in der Heimat. Im Grunde habe ich ja ein ganz simples Anliegen an die Einwanderer: Beteiligt euch am grossen Abenteuer, an dem wir alle arbeiten, nämlich daran, unser Wissen und unsere Gesellschaft weiterzubringen.

Frage: Nun muss Ihre Botschaft nur noch ankommen.

Leon de Winter: Hier liegt das Problem: Sie kann gar nicht ankommen, weil sie mit der Überzeugung kollidiert, dass alle Kulturen gleich wertvoll und überhaupt alle und alles gleich sind. Da spielt dann auch wiederum der Sozialstaat hinein, wo alle Ansprüche anmelden dürfen und wo die Grundhaltung besteht, dass allen geholfen wird. Dieses Problem hat man im Einwanderungsstaat [Amerika, Kanada, Australien, Neuseeland] nicht. Dort sagt man: Du bist willkommen. Aber niemand hilft dir. Also arbeitest du, vielleicht 20 Stunden am Tag, weil du weisst: Arbeitest du nicht, verhungerst du.

Frage: Lange stand jeder unter Rassismusverdacht, der kritische Fragen zur Zuwanderung stellte. Inzwischen droht allerdings das andere Extrem: Wer darauf hinweist, dass die Zuwanderung positive Effekte hat, Wirtschaftswachstum zum Beispiel, wird als Gutmensch verlacht. Eine neue Form von Intoleranz?

Leon de Winter: Das sehe ich anders. Ich nehme jeden ernst, solang er sich nicht um die Frage drückt, wie man aus Einwanderern verantwortungsbewusste, disziplinierte Bürger macht, die zum allgemeinen Wohl beitragen.

Frage: Sie sprechen von Ansprüchen und Verpflichtungen. Der Westen hat aber auch eine Verpflichtung: Jenen zu helfen, die weniger Glück hatten.

Leon de Winter: Nein, hat er nicht. !!! Wie kommen Sie darauf? Weil es zu unserer Kultur gehört, solidarisch zu sein. Es ist rührend, dass sich die westliche Kultur verantwortlich fühlt für alles und jedes auf der Welt. Wir helfen sofort, wenn es irgendwo brennt. China hat den Philippinen 100 000 Dollar geschickt. Das verdient ein Starfussballer in einer Woche. Offenbar hat man dort weniger Mitgefühl... Im Ernst: Wenn wir irgendwo helfen können, sollten wir das tun. In weiten Teilen Afrikas herrscht grosse Not, dort müssen wir helfen, ohne dafür etwas zu erwarten. Bei Leuten, die in der Lage sind, selbstständig in unser Land einzureisen, liegt der Fall aber anders. Auch ihnen sollten wir helfen, aber diese Hilfe hat einen Preis: Sie müssen bereit und willens sein, etwas zurückzugeben: sich zu engagieren. !!!

„Es ist rührend, wie sich der Westen für alles verantwortlich fühlt.“

Frage: Herr de Winter, was dürfen wir von Immigranten fordern?

Leon de Winter: „Viel. Zu oft behandeln wir Einwanderer wie Menschen, die nicht stark genug sind.“

Frage: Dass dieser Wille nicht bei allen Einwanderern gleich ausgeprägt ist: Ist das allein deren Schuld, oder haben auch die Gastländer Fehler gemacht?

Leon de Winter: Natürlich haben diese Fehler gemacht. Schauen Sie sich die Bilder der Marokkaner an, die vor zwanzig, dreissig Jahren in Holland ankamen, sie trugen Hemd, Krawatte, alle waren glatt rasiert. Jetzt, wo sie in Rente sind, tragen alle traditionelle Kleider und Bärte. Offenbar kamen sie mit dem Willen, sich anzupassen. Doch es hat nicht geklappt. Jetzt sind sie enttäuscht und haben sich geschlossen für die Welt, in der sie leben. Klar, in Holland glaubte man irrtümlich, die Leute gingen nach ein paar Jahren wieder. Trotzdem hätte man mehr für die Integration tun sollen, hätte vor allem dafür sorgen müssen, dass sie die Sprache lernen. Damit fängt alles an. Wenn man die Sprache nicht spricht, geht nichts. Dann wird es auch mit den Kindern schwierig. Und dann die Satelliten-Antennen [Empfang islamischer Hassprediger]: Heute kann man in Holland oder der Schweiz ein Leben führen, als wäre man in Marokko, Rumänien oder in der Türkei. Der Unterschied zwischen dem Alltag vor der Wohnungstüre und dem Leben dahinter ist bei vielem Migranten sehr viel grösser geworden.

Frage: Sie haben einmal gesagt, das Elend der Politik sei, dass Sie den Schmerz nicht anerkennen wolle, weder den Schmerzen der Einheimischen noch jenen der Einwanderer...

Leon de Winter: Es kommt noch schlimmer. Die Politik hat den Migranten den Eindruck vermittelt: Es gibt gar keinen Schmerz. Du brauchst nichts aufzugeben. Wir haben ja die multikulturelle Gesellschaft. Doch das stimmt nicht. Auswandern bedeutet aufgeben. Sogar Dinge, die einem ganz wichtig sind. Dann muss man sich am neuen Ort integrieren. Das ist schwierig. Emigrieren ist ein bisschen wie sterben. Das haben alle Migranten erfahren, seit Tausenden von Jahren. Man hat die Chance, etwas Neues zu erobern, aber der Preis ist hoch. Und wir? Wir fanden: Wir sagen besser nichts, denn klare Worte sind nicht nett. Darin spiegelt sich eine unsägliche Überlegenheitspose. Wir behandeln die Einwanderer wie Menschen, die nicht klug und stark genug für die Wahrheit sind. Das ist falsch: Wir sollten die neuen Mitbürger als Erwachsene ansprechen, die man ernst nimmt und an die man Erwartungen hat.

Frage: Sie leben in Holland, Sie kennen die USA gut, Sie reisen viel. Wo ist Ihnen am wohlsten?

Leon de Winter: Ich sehe, wie gross die Dynamik in den USA ist, nach wie vor. Und ich sehe, dass es dort Beispiele wirklich gelungener internationaler Gesellschaften gibt. Gehen sie ins Silicon Valley. Das ist völlig internationalisiert [dort arbeitet ja auch die technologische Intelligenz, also sehr gebildete Leute], aber alles und immer unter der amerikanischen Fahne, dem American Dream. Es herrscht eine riesige Offenheit. Gleichzeitig ist völlig klar, welche Sprache man spricht. Da gibt es gar keine Diskussion. Es ist Englisch. Punkt. Wenn eine Stimmung entsteht, in der die Leute sich angetrieben fühlen, in der sie unbedingt ihr Bestes geben wollen. Dann hat so eine Gesellschaft meine Liebe.

„Auswandern, das ist ein bisschen wie sterben.“

Die Fragen der Tagi-Community

Auf der Facebook-Site des Tages-Anzeiger stellten Leserinnen und Leser Fragen an Leon de Winter. Die spannendsten beantwortet der Schriftsteller hier.

Frage: Herr de Winter, erachten Sie es als selbstverständlich, in einem privilegierten Land zu leben?

Leon de Winter: Wir sind die Prinzen der Geschichte. Noch nie in der Geschichte der Menschheit haben so viele Menschen mit so viel Reichtum leben können wie wir in der westlichen Welt. Und wurden dabei so alt. Das alles wurde möglich, weil viele Generationen unglaublich hart gearbeitet, zum Teil auch schreckliche Fehler gemacht haben. Meine Antwort also: nein, im Gegenteil. Jeden Morgen denke ich, sie ist ein Wunder, unsere Welt.

Frage: Was würden Sie anders machen, wenn Sie noch mal von vorn anfangen könnten?

Leon de Winter: Ich hätte jung nach Amerika gehen sollen. Doch das realisierte ich erst, als ich 1986 zum ersten Mal nach Los Angeles kam. Ich hätte früher kommen sollen. Das würde ich anders machen. Wobei: Wo wäre ich dann meiner Frau begegnet?

Frage: Sie sagten über den ermordeten Filmemacher Theo von Gogh: „Es gab Momente, da dachte ich, jetzt hole ich meinen Baseballschläger und gehe zu ihm. [Theo van Gogh hat Leon de Winter oft sehr hart kritisiert: siehe: Leon de Winter: Kokettieren mit „der rechten Scheiße“] Vielleicht hätte ich das tun sollen. Dann würde er noch leben.“

Frage: Ist das ein Witz?

Leon de Winter: Nein, das meine ich im Ernst. Kennen Sie Badr Hari? Ein Marokkaner, kräftig, gross, schön und jung. Er lebt in Holland. Und ist Free-Fight-Weltmeister. Badr Hari hat jemanden übel zugerichtet, nachdem dieser seine Freundin beleidigt hatte. Ich habe Badr Hari ein bisschen verteidigt. Irgendwie schätze ich es, wenn Männer sich wehren. Was ich damit sagen will: Wenn ich Theo gezeigt hätte, dass Wörter zu Reaktionen führen, dann hätte er vielleicht begriffen, dass man nicht dauernd andere beleidigen darf.

Quelle: „Es gibt mehr Kriminalität, mehr Bettler“

Siehe auch:
Klaus Kelle: Es gibt keine guten Gewaltkriminellen
Serbien kritisiert deutsche Leistungen für Asylbewerber
So hart sind die Arbeitsbedingungen bei Amazon
Akif Pirincci: Der familienfeindlichste Werbeclip der Welt
England entzieht Dschihadisten britische Staatsbürgerschaft
Kann Prof. Khorchide einen moderaten Islam durchsetzen?
Der Schwarze Block marschiert - mit ruhig festem Schritt
Dr. Karsten Dustin Hoffmann: Der Feind steht links

Viewing all articles
Browse latest Browse all 1651