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Akif Pirincci: Applaus, Applaus für den Sitzpinkler

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„Sportfreunde Stiller“ ist eine deutsche Band, die in letzten Jahren insbesondere mittels kunstsinnig angehauchter Fußballieder aus der alternativen Ecke kam und in diesen Tagen wohl ihren erfolgreichsten Hit gelandet hat. Schon vom Erscheinungsbild ihrer Mitglieder her repräsentieren sie, vielleicht gar nicht einmal gewollt, wie keine andere Kapelle die Bionade-Thirtysomethings großstädtischen Typs und die vergrünisierte und verweichlichte Geisteshaltung, die zwischen Prenzlauer Berg und Freiburg und mittels vom Fernsehen abgeguckten „Links-sein, lieb-sein, alle-Menschen-sollen-gleich-sein- Attitüden“ auch in der Provinz vorherrschen mag.

Auch die nach wohltemperiertem WG-Diskussionston und mildem Sozialpädagogik-Kehlkopf klingende Stimme des Sängers Peter Brugger trägt dazu bei, daß sich sämtliche Songs der Sportfreunde nach harmlosen, nichtsdestoweniger eingängigen Anbiederungen an den sich vom Zeitgeist herumschubsenden Kindsmann anhören.

Ich möchte hier anhand des Textes des aktuellen Stiller-Hits „Applaus, Applaus“ darlegen, wie ich das meine, wohlweißlich, daß der Texter/Komponist in seinem Schaffensmoment bestimmt keine politische oder gesellschaftskritische Botschaft im Hinterkopf hatte, sondern einfach nur ein gutes Liebeslied produzieren wollte. Dennoch glaube ich zu erspüren, daß das Biotop, in dem er sich befindet, und eine gewisse Erwartungshaltung seines speziellen Publikums, ihn quasi unbewußt dazu verleitet haben mag, die Worte zu wählen, die er gewählt hat.


Sportfreunde Stiller: Applaus, Applaus - MyVideo

Bereits der Titel erweckt Assoziationen an Zirkus und Manege, nimmt den Hörer sogleich mit in eine kindliche Welt mit aufgerissenen Strahleaugen. Brugger tut durch seinen bewußt im naiven, ja infantil gehaltenen Tonfall im Gesang sein Übriges, daß „Applaus, Applaus“ ziemlich unerotisch rüberkommt. Und obgleich es sich um einen Liebessong handelt, also um die Anbetung und Werbung einer Frau, wird an keiner Stelle deren Schönheit und ihr lusterregendes Wesen erwähnt, sondern ausschließlich ihre grundguten Charaktereigenschaften im Stile von Reden auf evangelischen Kirchentagen.

Zudem verzichtet der Lobhudler komplett auf die aggressiv drängende Rolle des heißblütigen Kavaliers, der die Frau mit gewagten Komplimenten anbaggert, sondern verharrt wie brav auf dem Stuhl sitzend und akkurat gescheitelt im Bild des Punkterichters, der Liebe und Sex und unausgesprochen auch die Erlaubnis dazu ausschließlich über moralisches Benehmen definiert.

„Ist meine Hand eine Faust, machst du sie wieder auf,
und legst die deine in meine.“

Die erste Strophe gibt schon unmißverständlich die Stoßrichtung an: Der Mann, der gerne mal auch im metaphorischen Sinne eine Faust macht, um damit irgendwelche Fressen zu polieren, wird von der ach so friedenstaubenmäßigen Weiblichkeit daran gehindert. Vielleicht aber ist es auch eine Drohung. Das Ganze klingt nämlich eher nach einer Kindergärtnerin mit steinernem Gesicht und pazifistischer Gesinnung, die kleinen Jungs die Spielzeugpanzer mit der wohlmeinenden, aber keinen Widerspruch duldenden Ansage aus der Hand schlägt, daß (männliche) Gewalt, ja gar Durchsetzungsvermögen „irgendwie“ Scheiße ist ...

„Du flüsterst Sätze mit Bedacht durch all den Lärm
als ob sie mein Sextant und Kompass wären.“

Naja, hat was von Luther-Speech, und eine Frau, die Sätze „mit Bedacht flüstert“ ist entweder schon etwas älteres Semester oder hat einen Esoterik-Knall. Außerdem schwingt in der ersten Zeile ein unangenehm überheblicher Zug mit, geradeso, als habe die bedächtig flüsternde Alte dem Typ eingeredet, daß alle außer ihr nur Bullshit (durch all den Lärm) reden würden, während sie natürlich die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat. Und wie zur Bestätigung wird das bedächtige Weibergelaber für ihn schon in der nächsten Zeile zu seiner Bibel bzw. zum Sextant und Kompass. Es scheint sich hier um eine sehr verkopfte Liebe zu handeln, denn außer geistigen Orgasmen passiert nichts, wofür man später Taschentücher bräuchte.

Dann jedoch kommt der Refrain, und zum ersten Mal taucht das Zauberwort auf, welches in keinem Liebeslied fehlen darf: Herz!

Applaus, Applaus
für deine Worte.
Mein Herz geht auf,
wenn du lachst!
Applaus, Applaus,
für deine Art mich zu begeistern.
Hör niemals damit auf!
Ich wünsch mir so sehr,
du hörst niemals damit auf.

Das mit dem Herz erweist sich allerdings etwas voreilig, denn dieses geht ihm nur auf, wenn sie lacht, und nicht, wenn er zum Beispiel ihre barocken, roten Lippen oder gar an ihr etwas noch „Herzhafteres“ sieht, was man mit Lippen in Verbindung bringen könnte. Ansonsten gibt es wieder viel Applaus, Applaus für „deine Worte“ und „deine Art mich zu begeistern“. Von Körperlichkeit keine Spur. Alles spielt sich auf einer Verhaltensebene ab, und der Kerl ist froh, wenn sie sich mal ein Lachen abringt, vermutlich, weil der neue Paulo Coelho[brasilianischer Schriftsteller, interessante Biographie] erschienen ist oder die Grünen bei der Sonntagsumfrage einen Punkt zugelegt haben.

Daß wir es hier mit einem von allgegenwärtigen Genderismus und dessen Verlangen nach kastratenartigem Wohlverhalten der XY-Träger [Männer haben ein X und ein Y-Chromosom, Frauen dagegen haben zwei X-Chromosome]  gänzlich zur Strecke gebrachten Opfer zu tun haben, das offenkundig nun unter dem Stockholm-Syndrom [1] leidet, merkt man daran, daß er am Ende nur noch „Hör niemals damit auf! - Ich wünsch mir so sehr, du hörst niemals damit auf“ winselt. Was für ein Waschlappen! Der Liebesbarde ist in Wahrheit der abgerichtete Affe in der Zirkusmanege, der seiner eigenen Dressur applaudiert und noch den leisesten pseudointellektuellen Furz aus einem Frauenarsch für ein aphrodisierendes Liebesparfüm hält. Jetzt übertreibe ich aber, sagen Sie? Von wegen. Die nächste Strophe liefert den Beweis.
[1] Unter dem Stockholm-Syndromversteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert. [Nach dem Motto: ich wollte eigentlich schon immer ein Terrorist sein?]
Ist meine Erde eine Scheibe, machst du sie wieder rund.
Zeigst mir auf leise Art und Weise, was Weitsicht heißt.

Wieder geht es recht vergeistigt zu. Die Körpersäfte kochen nicht, sie sind gar nicht vorhanden. Stattdessen wird erneut der anachronistische [schwanzlose] Mann auf die assoziative Leinwand projiziert, der bis jetzt mit Keule und Fellkleid blöd und doof durch die Gegend gestampft ist und dessen Welt eine Scheibe war. Die Superduper-Wissenschaftlerin aber klärt ihn darüber auf, daß diese rund ist und man die Frau vielleicht nach guter alter Vaterssitte doch besser stundenlang zu einem Fick belabern sollte, anstatt sie einfach lustvoll zu „nehmen“.

Und nicht allein das, sie zeigt ihm auch noch, was Weitsicht heißt. Vielleicht hat sie in Wirklichkeit statt Weitsicht Nachhaltigkeit gesagt [oder Durchblick, denn der Junge scheint keinen zu haben], aber das ging selbst dem Texter zu weit, weil es sich weniger nach Liebe als nach Parteiprogramm anhörte [muß ja auch alles politisch korrekt formuliert sein, sonst kriegt er nämlich die Nazikeule]. Diese Weitsicht jedenfalls zeigt sie ihm „auf leise Art und Weise“, vermutlich in [Feministen-]Uniform, einem eisig eingefrorenem Lächeln um die Mundwinkel und einer Reitgerte in der Hand. Der dressierte Liebesaffe in der Manege sieht nun endlich seine Zukunft. Und die sieht ziemlich beschissen aus für ihn. Denn:

Will ich mal wieder mit dem Kopf durch die Wand,
legst du mir Helm und Hammer in die Hand.

Dort in der wunderbarsten aller wunderbaren Männerwelten existiert der entfesselte, spontan seiner Männlichkeit frönende und mit dem Kopf durch die Wand rennende Mann nicht mehr, der früher bei dieser Kopf-durch-die-Wand-Rennerei auch mal zum Mond geflogen ist und, weil Frauen immer so frieren, die Heizung erfunden hat, obwohl alle vorher gesagt haben, das sei unmöglich. Nein, er hat sich jetzt von ihr anschnallen lassen, trägt Helm, nimmt sich Elternteilzeit, trinkt laktosefreien Milchkaffee, hält seinen Pimmel bisweilen für eine Vagina und Margot Käßmann für eine Philosophin.

Hin und wieder schweift seinen Blick versonnen über eine verspargelte Landschaft voller Windkrafträder. Er lächelt dabei debil, trägt sein Baby in einem Schal um den Bauch und glaubt Impfungen gegen Kinderkrankheiten seien von der Pharmaindustrie in die Welt gesetzter Schwachsinn, um Kohle zu machen, und deshalb ist er es auch in dieser Zukunft, der immer öfter Migräne hat und „heute nicht kann“. Naja, zumindest hat sie ihm den Hammer gelassen, falls was kaputt geht.

Meine Güte, Sportfreunde, sogar bei einer drittklassigen Schülerband kommen in selbstgestrickten Lovesongs das altbewährte „Oh Baby!“ oder „Schmerz“ vor. In diesem Genre wird nicht nonstop und wie besinnungslos einer Alten applaudiert, die irgendwelchen soziologischen Müll daherredet, um den Lover von vornherein zu maßregeln und zu erziehen. Vielleicht aber interpretiere ich auch zu viel in die Sache hinein und weigere mich borniert, das Lied als das anzuerkennen, was es letztlich ist, nämlich ein albernes Liebeslied. Die Melodie ist jedenfalls ganz okay, wenn auch nicht gerade genial. Insofern Applaus, Applaus für eure Musik!

Die Anmerkungen in eckigen Klammern sind vom Admin.

Applaus, Applaus für den Sitzpinkler


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